Extremismus Prozess gegen mutmaßliche Linksextremisten und viel Kritik

dpa
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Von dpa
| 25.11.2025 13:57 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Den Angeklagten wird vorgeworfen, gezielt Rechte angegriffen zu haben. Foto: Sebastian Kahnert
Den Angeklagten wird vorgeworfen, gezielt Rechte angegriffen zu haben. Foto: Sebastian Kahnert
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Sieben Angeklagte und ein Mammutprozess: In Dresden stehen mehrere Beschuldigte vor Gericht, im Fokus steht Johann G. Die Verteidigung sieht eine klare Vorverurteilung.

Begleitet von Protesten der linken Szene müssen sich seit dem Vormittag sieben mutmaßliche Linksextremisten für zahlreiche Straftaten vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten. Die Gruppe, die Ende 2017 oder Anfang 2018 in und um Leipzig entstanden sein soll, soll mehrere Jahre lang gewaltsame Angriffe auf Personen aus der rechten Szene verübt haben. Angeklagt wurden Straftaten wie gefährliche Körperverletzung, versuchter Mord und Sachbeschädigung.

Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten im Alter zwischen 28 und 49 Jahren unter anderem Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung beziehungsweise Unterstützung derselben vor. In der Anklage attestierte die Bundesanwaltschaft ihnen einen „militanten Antifaschismus“ und linksextremistische Einstellungen. Mitglieder der rechten Szene sollten geplant angegriffen werden. Es sei darum gegangen, eine Signalwirkung zu erzielen, um Rechtsextreme abzuschrecken, hieß es.

Im Fokus steht der 32-jährige Johann G. Er war lange Zeit untergetaucht und den Zielfahndern des Landeskriminalamtes Sachsen vor einem Jahr ins Netz gegangen. Das jetzige Verfahren ist faktisch die Fortsetzung des Prozesses gegen die Studentin Lina E. und drei Mitangeklagte. Sie waren 2023 an gleicher Stelle zu Haftstrafen verurteilt worden. 

Hammer, Schlagstöcke und Sturmhauben

Die Gruppe hätte ein methodisches und planvolles Vorgehen an den Tag gelegt und vor den Angriffen die Lebensumstände der Opfer ausspäht. Regelmäßiges Training in Kampfsporttechniken habe dazu gedient, die Effektivität der Angriffe zu steigern. „Die Opfer sollten erheblich verletzt werden“, hieß es zur Anklage. Bei den Angriffen habe die Gruppe, bei der die Beschuldigten in wechselnder Besetzung teilnahmen, Werkzeuge wie Hammer und Schlagstöcke verwendet. Auch Pfefferspray und Sturmhauben hätten zur Ausrüstung gehört.

Mehrere Dutzend Unterstützer hielten am Morgen vor dem Gerichtsgebäude Schilder und ein Transparent mit der Aufschrift „Free all Antifas“ hoch, auch im Saal warteten einige Anhänger der Szene. Sie klatschen lautstark Beifall als die Angeklagten in den Saal gebracht wurden, vier von ihnen aus der Haft. Das Gericht hatte Solidaritätsbekundungen gestattet, solange die Richter noch nicht im Saal erschienen sind. Der Prozess läuft unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ab. Besucher und Medienvertreter mussten sich ausgiebigen Einlasskontrollen unterziehen. 

Im Fokus steht Johann G.

Johann G. und seine damalige Lebensgefährtin Lina E. hätten innerhalb der Gruppierung eine Führungsposition eingenommen, so die Anklage. Bei 14 Überfällen im In- und Ausland seien 35 Menschen teils erheblich verletzt worden. Als Tatorte wurden Wurzen, Leipzig, Dessau-Roßlau, Dortmund, Erfurt und Budapest genannt. Hier griffen Linksextreme zuletzt im Februar 2023 Rechtsextreme an, die beim rechten Szene-Event „Tag der Ehre“ teilnahmen. Einigen Opfern seien der Angriffe lebensbedrohliche Verletzungen zugefügt worden, hieß es. Zwei Überfälle wertet die Anklage als versuchten Mord. 

Bundesanwaltschaft sieht militante linksextremistische Ideologie

Laut Bundesanwaltschaft sollen sechs der jetzt Beschuldigten, darunter eine Frau, der Vereinigung angehört und eine militante linksextremistische Ideologie miteinander geteilt haben. Ein siebter Angeklagte habe die kriminelle Vereinigung in drei Fällen unterstützt. „Der Rechtsstaat kann und darf es nicht hinnehmen, dass einzelne Angeklagte das Recht in die eigene Hand nehmen und die politische Auseinandersetzung mit Gewalt getragen wird. Es gibt keine gute politische“, erklärte Bundesanwalt Bode Vogler.

Kritik sieht klare Vorverurteilung und übt scharfe Kritik

Die Verteidiger der sieben Beschuldigten übten scharfe Kritik und sprachen von einer Vorverurteilung ihrer Mandanten. Dafür gaben sie auch dem OLG Dresden eine Schuld, denn in der Erstinformation zu dem Prozess war von einer „terroristischen Vereinigung“ die Rede. Das Gericht räumte das als Fehler ein, den man aber korrigiert habe. Johann G. habe das Gefühl, „nicht als Angeklagter, sondern als Verurteilter hier zu sitzen“, sagte seine Verteidigung. Ihr Mandant sei bereits durch die Öffentlichkeit verurteilt worden.

Verteidiger halten drei Richter für befangen

Die Verteidigung sieht drei der fünf Richter als befangen an, weil sie bereits am Prozess gegen Lina E. beteiligt waren und dort eine Verurteilung bewirkten. Aus einem Angriff auf Rechtsextreme habe die Bundesanwaltschaft einen „Angriff auf den Staat“ gemacht, hieß ein anderes Argument. Ihr Mandant sei zum „Staatsfeind“ deklariert worden, sagten die Anwälte des ältesten Angeklagten, der als Unterstützer der Vereinigung und wegen Körperverletzung angeklagt ist.

Ein 32 Jahre alter Angeklagter war wegen der Angriffe in der ungarischen Hauptstadt im Februar 2023 schon in Ungarn wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden und saß knapp zwei Jahre dort in Haft. Seine Verteidiger argumentierten, dass dieses Urteil anzurechnen sei, weil man nicht wegen derselben Straftat doppelt bestraft werden kann. 

Sie wiesen zudem auf menschenunwürdige Haftbedingungen in Ungarn hin und verlangten Auskunft darüber, welche Auswirkungen es für ihren Mandanten habe, dass die US-Behörden die „Antifa Ost“ als terroristische Organisation einstuften. Es sei denkbar, dass ungarische Behörden Auskünfte über die in Budapest Verurteilten an die USA weitergegeben hätten.

Verteidigung beantragte Aussetzung des Verfahrens

Die Verteidigung beantragte eine Aussetzung des Verfahrens. Es wurde vor allem damit begründet, dass den Anwälten keine vollständige Akteneinsicht gewährt worden sein. Die Bundesanwaltschaft wies das zurück. In Dresden wird nun ein Mammutprozess erwartet, der sich bis 2027 hinziehen könnte. Zunächst sind Termine bis Sommer 2026 anberaumt.

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