Tourist attackiert Prozess nach Messerangriff am Holocaust-Mahnmal

dpa
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Von dpa
| 20.11.2025 04:31 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Am 21. Februar dieses Jahres stach der Mann im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals auf Besucher ein. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Am 21. Februar dieses Jahres stach der Mann im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals auf Besucher ein. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
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Bei seinem Besuch in Berlin wird ein Tourist aus Spanien schwer verletzt. Mit blutverschmierten Händen wird der mutmaßliche Angreifer in der Nähe des Tatorts festgenommen. Nun kommt er vor Gericht.

Nach einer mutmaßlich radikal-islamistisch und antisemitisch motivierten Messerattacke auf einen Besucher des Holocaust-Mahnmals in Berlin beginnt am Donnerstag (9.15 Uhr) der Prozess. Angeklagt ist ein 19 Jahre alter anerkannter syrischer Flüchtling. Er soll am 21. Februar von Leipzig nach Berlin gereist sein, um in der Hauptstadt im Namen des Islamischen Staats (IS) den Angriff zu verüben. Dabei wurde ein Tourist aus Spanien lebensgefährlich verletzt.

Die Tat

Der damals 30 Jahre alte Berlin Besucher wurde am 21. Februar gegen 18.00 Uhr im Stelenfeld des Denkmals für die ermordeten Juden Europas mit einem Messer von hinten angegriffen. Nach den Ermittlungen soll der Täter den Mann von hinten gepackt und ihm mit einem Messer einen 14 Zentimeter langen Schnitt an der Kehle zugefügt haben. Außerdem erlitt das Opfer zwei weitere Stichverletzungen im Gesicht und am Finger. 

Eine Woche nach der Tat ließ die Bundesanwaltschaft den Tatverdächtigen in Karlsruhe vorführen. (Archivbild) Foto: Uli Deck
Eine Woche nach der Tat ließ die Bundesanwaltschaft den Tatverdächtigen in Karlsruhe vorführen. (Archivbild) Foto: Uli Deck

Der Vorwurf

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und versuchte Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Nach Einschätzung der Behörde war die Tat radikal-islamistisch und antisemitisch motiviert. 

Der 19-Jährige sei Anhänger der Ideologie der terroristischen Organisation des Islamischen Staats (IS) gewesen. Wegen dieser Gesinnung und „angetrieben durch die Eskalation des Nahostkonflikts“ fuhr er laut Anklage am Tattag von Sachsen nach Berlin, um in der Hauptstadt im Namen des IS einen Angriff auf einen Menschen zu begehen und „dadurch einen Repräsentanten der von ihm abgelehnten freiheitlichen Gesellschaft zu töten“. Kurz vor der Tat habe Wassim Al M. über einen Messengerdienst ein Foto von sich an Mitglieder des IS übersandt und sich als Mitglied angedient.

Laut Anklage wählte der 19-Jährige das Holocaust-Mahnmal als Tatort, weil er davon ausging, dort „mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Menschen jüdischen Glaubens“ zu treffen. 

Das Opfer

Der damals 30 Jahre alte Berlin-Besucher wurde bei der Messerattacke lebensgefährlich verletzt. Nur durch das schnelle Eingreifen von Rettungskräften und einer Notoperation konnte nach Polizeiangaben sein Leben gerettet werden. Der Mann wurde für einige Zeit in ein künstliches Koma versetzt, so die Behörden.

Als dies gesundheitlich möglich war, kehrte der Mann in seine Heimat zurück. Der Opferbeauftragte der Bundesregierung und des Landes Berlin, Roland Weber, übernahm damals die Betreuung. Auch um Zeugen des Angriffs kümmerte sich seine Behörde gemeinsam mit der Zentralen Anlaufstelle in Berlin. Diese ist infolge der Erfahrungen nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz entstanden. 

Die Zentrale Anlaufstelle kümmert sich nach Angaben von Weber bis heute um alle Belange, die in Deutschland nötig und möglich sind im Interesse des Opfers. Zudem werde der Mann in Spanien vom Europäischen Netzwerk für die Rechte der Opfer SCPVOT betreut. 

Im Strafverfahren in Berlin wird der Spanier im Dezember als Zeuge erwartet. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin ist er auch Nebenkläger. 

Der Tatort

Das Denkmal für die ermordeten Juden in Europa des Architekten Peter Eisenman war im Mai 2005 der Öffentlichkeit übergeben worden. Mit dem Stelenfeld und einem unterirdischen Informationsort wird in der Hauptstadt nahe dem Brandenburger Tor an die sechs Millionen Juden erinnert, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten ermordet wurden.

Nun beginnt der Prozess dazu. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Nun beginnt der Prozess dazu. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Der Angeklagte

Der 19-Jährige wurde wenige Stunden nach der Tat im Umfeld der Gedenkstätte festgenommen. Nach Behördenangaben lief er am 21. Februar gegen 20.45 Uhr während der noch laufenden Ermittlungsarbeiten auf Polizisten zu. Diese bemerkten seine blutverschmierten Hände und Blut auf seiner Hose, wie es damals hieß. In seinem Rucksack fanden Polizisten neben der mutmaßlichen Tatwaffe unter anderem auch einen Koran, wie es damals hieß. Der junge Mann wurde festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Nach Behördenangaben kam der 19-Jährige 2023 als unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling - also ohne seine Eltern - nach Deutschland. Er erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung und wohnte in Leipzig in einer Gemeinschaftsunterkunft.

Der Prozess

Für das Staatsschutzverfahren gegen Wassim Al M. hat das Kammergericht Berlin nach Angaben der Sprecherin bislang insgesamt zwölf Prozesstage geplant. Ein Urteil könnte demnach am 29. Januar 2026 gesprochen werden. 

Der zuständige 1. Senat mit der Vorsitzenden Richterin Doris Husch hat bislang etwa ein Dutzend Zeugen geladen, weitere werden folgen, wie es hieß. Die ersten Zeugen - zwei Polizisten - sollen am ersten Prozesstag aussagen.

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