Lokal.KI Help me, KI-Wan Kenobi – and may the User Needs be with you


Wir arbeiten mit unserer eigen Variante der „User Needs“. Wie diese sich vom ursprünglichen Modell unterscheiden und wie uns KI bei der Anwendung und zu besseren Geschichten verhilft, darum geht‘s im Newsletter.
Du hast deine Geschichte im Block – Interviews geführt, Fakten gesammelt, Eindrücke sortiert. Und jetzt? Wie machst du daraus nicht nur einen Artikel, sondern vielleicht mehrere gute Geschichten, die genau den Nerv deiner Leserinnen und Leser treffen?
Eine Möglichkeit, einen guten Fokus zu finden, bieten die „User Needs“ oder „Bedürfniskategorien“. Was das ist, erkläre ich dir genauer – und auch, wie wir unsere eigenen „Bedürfniskategorien“ mit der KI kurzgeschlossen haben.
Was sind User Needs/Bedürfniskategorien?
Die BBC hat 2017 User Needs eingeführt. Sie sollen dabei helfen, die Bedürfnisse von Leser*innen gezielt anzusprechen, um so mehr Klicks und eine längere Lesezeit hervorzurufen. Entwickelt wurde das ursprüngliche Modell von Dmitry Shishkin. Wenn du noch mehr Infos brauchst: Konrad Weber erklärt die User Needs in seinem Blogeintrag „Nutzerorientierter Journalismus“.
Bedürfniskategorien statt User Needs bei der ZGO
Auch wir bei der Zeitungsgruppe Ostfriesland nutzen Bedürfniskategorien, allerdings in einer etwas angepassten Form. Entwickelt wurde das ZGO-Modell vor allem von Nikola Nording, die seit Anfang des Jahres als Chefredaktorin in die Schweiz zur Somedia AG gegangen ist. Zuvor war sie Redaktionsleiterin der Redaktion Leer bei uns im Haus. Unsere Bedürfniskategorien sehen so aus:
➡️ Was ist passiert? (Klassische W-Fragen/Nachricht)
➡️ Schon gehört? (Trends in Sozialen Netzwerken; das bespricht man am Gartenzaun; Stadtgespräch)
➡️ Berühre mich (Geschichten über Menschen – Schicksalsschläge, besondere Erlebnisse, Können, Abenteuer, Inspirierendes, Aufrüttelndes etc.)
➡️ Unterhalte mich (Kurioses)
➡️ Reg mich auf (Ungerechtigkeiten, Unsicherheit, Unverständliches, Aufreger)
➡️ Wir sind Ostfriesland (Regionale Besonderheiten, Gemeinschaftsgefühl, regionale Identität)
➡️ Nimm mich mit (Einblick in neue Welten, Reportagen)
➡️ Erklär es mir (Erklärstücke, Frage-Antwort-Stücke, Sachverhalte vertiefen und dem Leser Wissen vermitteln)
➡️ Ordne es ein (Analysestücke, Wissen vermitteln, auch mit Hilfe von Experten, und eine Meinung/Haltung/Lösung dem Leser an die Hand geben).
Insgesamt neun Kategorien, nach denen man Geschichten erzählen oder noch besser: nach denen man Themenkarrieren aufbauen kann. Dennoch braucht es manchmal ein paar Denkanstöße, wo in der Geschichte denn Ansätze für welche Bedürfniskategorie sind. Und hier kommt die KI ins Spiel.
Herausforderung: Mit KI zur Themenkarriere
Im Alltag gibt es zwei Möglichkeiten, wie Geschichten und Bedürfniskategorien zusammenfinden. Entweder man hat die Idee für eine Geschichte/selbige schon im Block und überlegt dann, welche Schwerpunkte man wie setzt. Oder man hat schon den Erstaufschlag gemacht – also meistens das „Was ist passiert?“ – und überlegt nun, welche weiteren Artikel man aus dem Thema herausholen kann. Für beide Varianten haben wir uns einen eigenen Bot im hauseigenen Tool gebaut. Der Prompt funktioniert aber auch bei ChatGPT direkt.
Wie funktioniert der Bot?
Die große Herausforderung war, dass der Bot versteht, was wir unter Bedürfniskategorien verstehen und wie wir arbeiten. Mittlerweile könnte man bei ChatGPT beispielsweise direkt ein entsprechendes Dokument hinterlegen. Das ging damals noch nicht – und geht in unserem Tool auch aktuell nicht. Daher muss alles Wichtige in den Prompt. Der Aufbau ist dabei ähnlich, wie im ersten Newsletter beschrieben. Der Chatbot bekommt
➡️ eine Rolle zugewiesen,
➡️ bei Bedarf noch eine etwas genauere Beschreibung (optional),
➡️ dann gibt es einen Sorgfaltsprompt
➡️ und eine Aufgabe.
Bedürfniskategorien: der ZGO-Prompt
Hintergrund
Rolle: Du bist erfahrener Lokaljournalist bei der Zeitungsgruppe Ostfriesland. Du kennst dich sehr gut mit den User-Needs aus, wie sie in deinem Unternehmen Anwendung finden. Du bist äußerst kreativ bei der Themenfindung.
Zielgruppe: Leserinnen und Leser verschiedener Altersgruppen.
Hauptzielgruppe: 30 Jahre und aufwärts.
User Needs mit Beschreibung und Beispielen
So sind die User Needs in deinem Unternehmen definiert:
A) Funktional
1. Was ist passiert?
Beschreibung: Klassische W-Fragen/Nachricht; in der Regel die Grundlage für weitere Artikel
Beispiel: Großkrimineller (Drogenanbau und -verkauf, Steuerhinterziehung usw.) festgenommen
2. Schon gehört?
Beschreibung: Trends in Sozialen Netzwerken; das bespricht man am Gartenzaun, das bespricht man in der Stadt; oft schon die Weiterdrehe für ein „Was ist passiert?“
Beispiel: So reagieren das Netz und die Politik auf die Festnahme
B) Emotional
3. Berühre mich
Beschreibung: Geschichten über Menschen – Schicksalsschläge, besondere Erlebnisse, Können, Abenteuer, Inspirierendes, Aufrüttelndes etc. Beispiel: Steuerberater, Fußballfreak und Drogenbaron – Das ist der Großkriminelle
Beispiel: Opfer des Großkriminellen erzählen ihre Geschichte
4. Unterhalte mich
Beschreibung: Kurioses
Beispiel: Die gelbe Jacke war besonders teuer: Das trug der Großkriminelle bei der Festnahme
Beispiel: Die besten Memes zur Festnahme und zu den Hintergründen
5. Reg mich auf
Beschreibung: Ungerechtigkeiten, Unsicherheit, Unverständliches, Aufreger
Beispiel: So viel Steuergeld hat der Großkriminelle verschwendet
6. Wir sind Ostfriesland
Beschreibung: Regionale Besonderheiten, Gemeinschaftsgefühl, regionale Identität
Beispiel: Der Betrüger zwischen uns: Wohnort empört über die Machenschaften des Großkriminellen
C) Kontext
7. Nimm mich mit
Beschreibung: Einblick in neue Welten, Reportagen Beispiel: Besuch auf der Hanf-Plantage des mutmaßlichen Drogenbarons
Beispiel: Besuch beim ersten Training des Fußballclubs, zu dem der Festgenommene gehörte, nach Festnahme
8. Erklär es mir
Beschreibung: Erklärstücke, Frage-Antwort-Stücke, Sachverhalte vertiefen und dem Leser Wissen vermitteln
Beispiel: So funktionierte die Steuerhinterziehung des Großkriminellen
9. Ordne es ein Beschreibung: Analysestücke, Wissen vermitteln, auch mit Hilfe von Experten, und eine Meinung/Haltung/Lösung dem Leser an die Hand geben
Beispiel: Analyse: Deswegen muss der Großkriminelle in den Knast
Aufgabe
Schritt 1: Analysiere und erfasse den Text besonders gründlich. Bedenke dabei deine Rolle. Schreibe eine Kurzusammenfassung des Textes.
Schritt 1.1: Sollte dir kein vollständiger Artikel oder längerer Text gegeben werden, sondern nur eine Idee für eine Artikelreihe, überspringe Schritt 2.
Schritt 2: Analysiere den Text und ordne den Artikel einer der User-Needs Kategorien zu. Dabei musst du dich nicht an die Reihenfolge der User-Needs halten. Solltest du den Text nicht eindeutig zuordnen können, gebe einen entsprechenden Hinweis.
Formuliere offene Fragen, die sich nach der Analyse des Textes stellen.
Schritt 3: Formuliere Vorschläge für weitere Artikel, ausgehend von den User Needs. Sei kreativ, behalte aber deine Rolle und deine Zielgruppe im Blick. Ordne die Ideen nach User-Needs. Gib mehrere Beispiele aus, wo es sich anbietet. Achte darauf, dass du keine Vorschläge ausgibst, die schon im Artikel abgedeckt sind. Lasse die in Schritt 2 identifizierte User-Needs-Kategorie aus. Schritt 4: Erledige diesen Schritt, nachdem du alle anderen Schritte durchgeführt und ausgegeben hast. Mache Vorschläge für eine Themenkarriere, indem du die von dir in Schritt 3 formulierten Beispiele gewichtest und in eine sinnvolle Reihenfolge bringst.
Wie ist der Prompt aufgebaut?
Du hast es sicher schnell erkannt: Neben der Rolle und hier sogar einer Zielgruppe, einem Sorgfaltsprompt und der eigentlichen Aufgabe, steckt in diesem Prompt noch etwas mehr.
Warum Beispiele?
Die User-Needs/Bedürfniskategorien sind kurz erklärt und jeweils mit einem oder zwei Beispielen hinterlegt. Um den Gedanken der Themenkarriere zu unterstützen, bauen die Beispiele aufeinander auf.
Ingo hatte ja im Newsletter zum Thema Blaulicht-Bot schon über Beispiele gesprochen. Wir haben insgesamt festgestellt, dass neben einer ordentlichen Struktur auch Beispiele zu besseren Ergebnissen führen. Aber: Manchmal verwirren sie die KI auch. Das war tatsächlich beim Blaulicht-Bot der Fall. In einer Version nahm sich die KI immer dann, wenn kein eindeutiges Datum in der Ursprungsmeldung zu finden war, das Datum aus dem Beispiel. Das haben wir jetzt weitestgehend gelöst: „Wenn du aus der Quelle kein eindeutiges Datum übernehmen kannst, übernehme nur den Wochentag und vermerke dahinter „in all caps“ das fehlende Datum. Das Datum 21. Mai 2024 dient nur für dich als Beispiel für die Schreibweise! Nutze dieses Datum nicht, um fehlende Angaben zu ergänzen!“ Das führt zwar manchmal zu lustigen Eskapaden wie „IN ALL CAPS“ hinter einem fiktiven Datum, aber nun. Wir erkennen, dass wir da eingreifen müssen, das zählt.
Struktur hilft auch mir
Zurück zu den Bedürfniskategorien und dem Prompt: Auch die Struktur ist hier eine etwas andere. Den Hauptprompt habe ich in „Hintergrund“ und „Aufgabe“ unterteilt. Das hat vor allem etwas damit zu tun, dass es mir so leichter fällt, den Überblick zu behalten. Ich bilde mir aber auch ein, dass der Prompt so besser funktioniert. Die Unterteilung der Aufgabe in einzelne Schritte hilft definitiv.
So sieht das Ergebnis aus
Als Beispiel habe ich die Pressemitteilungen zu den diesjährigen Beachdays auf Borkum genommen und durch den Bot geschubst.
Schritt 1: Kurzusammenfassung des Textes
Die BEACH DAYS BORKUM finden vom 8. bis 11. August 2025 am Nordbad auf Borkum statt und bieten ein vielfältiges Programm aus Sport, Musik, Party und Entspannung direkt am Strand. Highlights sind das Konzert der Band Revolverheld am Freitag, eine Open-Air-Disco am Samstag, eine Silent Disco am Sonntag und ein Familienkonzert mit Heavysaurus am Montag. Sportlicher Höhepunkt ist das Profi-Beachvolleyballturnier „Rock the Beach“. Für Kinder gibt es ein Sportmobil mit Spielgeräten. Das Event richtet sich an alle Altersgruppen und bietet neben Musik und Sport auch kulinarische Angebote und Chill-out-Bereiche.
Schritt 2: User-Needs-Analyse und offene Fragen
Zuordnung User-Need:
Der Text ist am ehesten dem User-Need „Schon gehört?“ zuzuordnen. Es handelt sich um eine Ankündigung und Übersicht eines regionalen Großevents, das Gesprächsthema auf der Insel und in der Region sein dürfte. Es werden die wichtigsten Programmpunkte und Highlights vorgestellt, die für Gesprächsstoff sorgen.
Offene Fragen nach der Analyse:
Welche Teams nehmen am Beachvolleyballturnier teil? Gibt es ostfriesische Teilnehmer?
Wie läuft die Organisation und Logistik für ein so großes Event auf der Insel ab?
Wie erleben Einheimische und Touristen die BEACH DAYS? Gibt es Kritik oder besondere Vorfreude?
Wie nachhaltig ist das Event? Gibt es Umweltkonzepte, z.B. Müllvermeidung am Strand?
Wie hat sich das Event seit 2018 entwickelt? Gibt es besondere Geschichten aus den Vorjahren?
Wie sicher ist das Event? Gibt es besondere Sicherheitsvorkehrungen?
Wie profitieren lokale Gastronomen und Hoteliers von den BEACH DAYS?
Schritt 3: Vorschläge für weitere Artikel nach User-Needs (außer „Schon gehört?“)
1. Was ist passiert?
Rückblick: So liefen die BEACH DAYS BORKUM 2025 ab – die wichtigsten Ereignisse und Zahlen
✨Zwischenfall oder besondere Vorkommnisse während des Events (z.B. Wetter, Sicherheit, besondere Gäste)
2. Berühre mich
Porträt: Die Menschen hinter den BEACH DAYS – Organisatoren, Helfer, Stammgäste
✨„Mein schönster Moment“: Besucher erzählen ihre persönlichen Highlights der BEACH DAYS
3. Unterhalte mich
✨Die kuriosesten Outfits und Strand-Accessoires der BEACH DAYS
✨Die besten Social-Media-Posts und Memes rund um das Event
4. Reg mich auf
✨Müllberge nach dem Event: Wie sauber bleibt der Strand wirklich?
Lärmbelästigung und Verkehrschaos: Was sagen die Anwohner?
5. Wir sind Ostfriesland
Wie die BEACH DAYS das Gemeinschaftsgefühl auf Borkum stärken
✨Lokale Vereine und Initiativen: So engagiert sich die Insel bei den BEACH DAYS
6. Nimm mich mit
Reportage: Ein Tag hinter den Kulissen der BEACH DAYS – vom Aufbau bis zur Aftershow-Party
✨Mit den Beachvolleyball-Profis im Sand: So fühlt sich ein Training an
7. Erklär es mir
Wie funktioniert eine Silent Disco? Technik, Ablauf und Besonderheiten erklärt
Was macht ein Profi-Beachvolleyballturnier aus? Regeln, Punkte, Besonderheiten
8. Ordne es ein
✨Analyse: Warum sind die BEACH DAYS für Borkum und die Region so wichtig?
Kommentar: Wie sich Großevents am Strand mit Naturschutz vereinbaren lassen
Schritt 4: Vorschlag für eine Themenkarriere (gewichtete Reihenfolge)
Was ist passiert?
Nimm mich mit
Berühre mich
Wir sind Ostfriesland
Reg mich auf
Erklär es mir
Ordne es ein
Unterhalte mich
Was ich vom Ergebnis halte
Die gewichtete Reihenfolge finde ich hier nur bedingt gelungen, bei den Vorschlägen für die einzelnen Bedürfniskategorien sind aber ein paar nette Ideen dabei. Ich habe dir meine Favoriten mit ✨ markiert. Das sind natürlich alles Ideen, auf die man auch selbst kommt. Aber vielleicht nicht ganz so schnell – und zusätzliche Denkanstöße sind ja nie verkehrt.
Man merkt aber auch, dass sich die KI mitunter sehr an den Beispielen orientiert. Das wäre ein Punkt, an dem ich bei einer Verbesserung des Prompts ansetzen würde.
KI und Bedürfniskategorien: Ausblick
Perspektivisch wollen wir diesen oder einen ähnlichen Bot automatisiert einsetzen. Wir überlegen gerade, wie wir es in den Workflow integriert bekommen, dass die Auswertung unserer besten Geschichten eines Tages automatisch in den Bot gespielt werden – und dieser dann wiederum entweder an die Redaktion oder an den*die Autor*in Vorschläge für Weiterdrehen nach den Bedürfniskategorien ausgibt. Das würde den bislang notwendigen Umweg über das Tool ersparen. Weniger Klicks sind ja immer gut.
Ingo und ich starten jetzt bald mit den hausinternen Schulungen. Wir wollen möglichst alle Kolleginnen und Kollegen soweit schulen, dass sie ganz grundlegend prompten können und für sich brauchbare Ergebnisse bekommen. Um das Schulungskonzept wird es in Ingos nächstem Newsletter gehen, der am 21. Mai erscheinen wird.
Und jetzt ihr!
Wir wollen, dass Lokal.KI genau die Fragen beantwortet, die euch beschäftigen. Was wollt ihr über KI im Journalismus wissen? Wo seht ihr Chancen – oder Probleme?
Schreibt uns einfach: lokalki@zgo.de. Wir freuen uns auf eure Gedanken, eure Fragen und euer Feedback.