Einigung erzielt Kaisers Kunst: Der Jahrhundertstreit mit den Hohenzollern

Sabrina Szameitat und Verena Schmitt-Roschmann, dpa
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Von Sabrina Szameitat und Verena Schmitt-Roschmann, dpa
| 13.05.2025 13:37 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (l) und Georg Friedrich Prinz von Preußen betonten, wie wichtig die Einigung im Hohenzollern-Streit ist. Foto: Michael Bahlo/dpa
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (l) und Georg Friedrich Prinz von Preußen betonten, wie wichtig die Einigung im Hohenzollern-Streit ist. Foto: Michael Bahlo/dpa
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Seit 1926 rangen die Nachfahren des letzten deutschen Kaisers mit dem Staat um Tausende Kunstschätze. Warum nun endlich eine Lösung auf dem Tisch liegt - und Kunstfreunde sich freuen dürfen.

Der Ort war passend gewählt: Vor der prunkvollen Kulisse von Schloss Sanssouci - dem Aushängeschild der Preußischen Schlösser in Brandenburg - ist ein Jahrhundertstreit symbolisch beendet worden. Seit 1926 stritt das Haus Hohenzollern mit der öffentlichen Hand um den Besitz Tausender wertvoller Kunstschätze aus ihren ehemaligen Schlössern. Nun also der Durchbruch.

Betont entspannt kamen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen bei strahlendem Sonnenschein zu einem Pressetermin am Schloss in Potsdam. Es überwogen: Erleichterung und versöhnliche Töne. „Ein Schlussstrich und gleichzeitig ein Neuanfang“ sei die Einigung für ihn, sagte der Hohenzollern-Nachfahre.

Georg Friedrich Prinz von Preußen gab sich bei einem Pressetermin in Potsdam erleichtert. Foto: Michael Bahlo/dpa
Georg Friedrich Prinz von Preußen gab sich bei einem Pressetermin in Potsdam erleichtert. Foto: Michael Bahlo/dpa

Wer sind die Hohenzollern?

Das Adelsgeschlecht Hohenzollern hatte über viele Hundert Jahre großen Einfluss. In Preußen stellte es seit dem 18. Jahrhundert die Monarchen und nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 die deutschen Kaiser. Nach Ausrufung der Weimarer Republik im November 1918 ging der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. ins Exil. Die Vermögenswerte der Hohenzollern wurden beschlagnahmt. 1926 sollte ein Gesetz Vermögensstreitigkeiten zwischen dem Staat und den Hohenzollern klären. Es blieben jedoch rechtliche Unklarheiten, über die letztlich fast 100 Jahre gestritten wurde - der Hintergrund der jetzigen Einigung.

Worum drehte sich dieser Streit?

Dazu schrieb die Bundesregierung 2019: „Es handelt sich zum Beispiel um Memorabilia, Möbel, Textilien und Gemälde, aber auch um Bibliotheks- und Archivbestände. Darunter befinden sich auch Gegenstände und Gemälde von erheblichem Wert und historischer Bedeutung.“ Die meisten der Kunstobjekte sind seit Jahrzehnten in öffentlichen Museen in Berlin und Brandenburg. Ein Teil stammt aus dem 1877 eröffneten Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou im heutigen Berlin-Mitte. Es wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1959 auf Beschluss des Ostberliner Magistrats abgerissen.

Seit wann lief der Streit?

Verhandelt wurde seit 2014. Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen sagte aber bei dem Termin in Schloss Sanssouci, ihn beschäftige der Konflikt schon seit 30 Jahren. Er habe mit 18 Jahren 1994 das Erbe seiner Familie übernommen. „Und zu diesem Erbe gehörten eben auch diese ungeklärten Fragen“, sagte er.

Konkret machten die Hohenzollern laut Regierungsangaben seit der Deutschen Einheit Ansprüche nach dem sogenannten Ausgleichsleistungsgesetz geltend. Es sieht vor, dass der Staat unter bestimmten Bedingungen Entschädigungen zahlt für „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“. „Bewegliche Sachen“ sollen möglichst zurückgegeben werden. Zunächst ging es in zähen Runden darum, über welche Objekte genau verhandelt werden soll. Dann stritt man um die Sachen selbst.

Verwirrend ist der Konflikt, weil zwischendurch auch Immobilienansprüche in Rede standen, so etwa ein Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof in Potsdam. Verhandlungen darüber lehnte die öffentliche Hand ab. Das Land Brandenburg wollte die Hohenzollern auch nicht entschädigen. 

Es folgten vor dem Verwaltungsgericht Potsdam zwei Klagen auf Entschädigung in Millionenhöhe für enteignete Schlösser und Inventar. In dem Zusammenhang erörterten Historiker ausgiebig die Rolle der Hohenzollern in der NS-Zeit, insbesondere von Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882-1951). Denn laut Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System „erheblichen Vorschub geleistet hat“. Schließlich zog die Familie 2023 die Klagen zurück. Seit Herbst 2024 saß man wieder am Verhandlungstisch.

Wie sieht die Einigung aus?

Unterm Strich verbleiben nun die allermeisten umstrittenen Kunstschätze in den Museen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und Deutsches Historisches Museum (DHM). Museumsbesucher können sie also in Ausstellungen besichtigen.

Die Beteiligten an der Einigung über die Kunstschätze der Hohenzollern trafen sich am Dienstag am Potsdamer Schloss Sanssouci. (Archivbild) Foto: Soeren Stache/dpa/ZB
Die Beteiligten an der Einigung über die Kunstschätze der Hohenzollern trafen sich am Dienstag am Potsdamer Schloss Sanssouci. (Archivbild) Foto: Soeren Stache/dpa/ZB

Kulturstaatsminister Weimer nannte als Beispiele das Bildnis Kurfürst Joachim I. von Brandenburg von Lucas Cranach dem Älteren, die barocken Elfenbeinmöbel des Großen Kurfürsten aus dem Besitz von Johann Moritz von Nassau-Siegen oder das Tafelservice für das 1750 von Friedrich II. erworbene Breslauer Stadtschloss. 

Weil noch die Gremien der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Deutschen Historischen Museums zustimmen müssen, ließ Weimer viele Details zunächst offen, auch Fragen nach einzelnen Objekten. Er sagte nur allgemein: „Die Nachricht der Stunde ist gewissermaßen die große Einigung und die allseitige Freude darüber, dass ein so alter, großer Konflikt beendet ist.“ 

Entscheidend für beide Seiten ist, dass Besitz und Eigentum rechtlich geklärt sind. Die umstrittenen Objekte aus dem früheren Hohenzollernmuseum gehen an eine gemeinnützige „Stiftung Hohenzollernscher Kunstbesitz“, in der die öffentliche Hand mehrheitlich das Sagen hat. Einige umstrittene Stücke werden dem Eigentum der Hohenzollern zugeordnet, darunter sieben sogenannte Tabatieren - das sind prächtig verzierte Tabakdosen - und Objekte, die auf einer 2018 für die Verhandlungen zusammengestellten Liste stehen, der sogenannten C-Liste. 

Die Objekte einer zweiten Liste - der sogenannten 19er Liste mit Kunstwerken von herausragender Bedeutung - werden hingegen „eindeutig der öffentlichen Hand zugeordnet“, wie Weimer mitteilte. Mit der finalen Vereinbarung seien sämtliche Ansprüche des Hauses Hohenzollern gegenüber den drei Kulturinstitutionen abgegolten, betonte Weimer.

Was bekommen die Hohenzollern dafür?

Ein wichtiger Punkt sind die wertvollen sieben Tabatieren. Vereinbart ist, dass zwei davon als Dauerleihgabe in Museen bleiben. Über fünf der Stücke kann das Haus Hohenzollern also verfügen, ebenso die Stücke der „C-Liste“. 

In der neuen gemeinnützigen Stiftung bekommen die Hohenzollern zudem drei Sitze im Stiftungsrat und damit Mitsprache. Wie die Mitwirkung des Hauses in der Stiftung konkret genutzt werden soll, war zunächst nicht klar. Er wolle nicht vorgreifen, sagte Georg Friedrich Prinz von Preußen in Potsdam.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer verkündete bereits am Montag die Einigung im jahrelangen Streit. Foto: Michael Bahlo/dpa
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer verkündete bereits am Montag die Einigung im jahrelangen Streit. Foto: Michael Bahlo/dpa

Weimer bedankte sich bei seinen Vorgängerinnen, die sich jahrelang mit dem Streit geplagt hatten. Ihr Nachfolger konnte nur eine Woche nach der Amtsübernahme den Durchbruch verkünden - und äußerte sich sehr zufrieden. „Durch diese Einigung haben wir einen Streit beigelegt, der viele Jahre beide Seiten Zeit, Geld und Kraft gekostet hat.“

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