Merz auf Tour Zwischen Offensive und Defensive: Kanzler Merz in Brüssel

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Von den dpa-Korrespondentinnen und -Korrespondenten
| 09.05.2025 07:46 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Merz war drei Tage nach Amtsantritt zu Besuch in Brüssel. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Merz war drei Tage nach Amtsantritt zu Besuch in Brüssel. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
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Der neue Kanzler will Deutschland in Europa wieder zu einer treibenden Kraft machen. Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel muss er sich aber bei einem Thema erst einmal gegen Kritik verteidigen.

Europäischen Schulden nur in Ausnahmefällen, Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes, null Zölle: Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel hat Kanzler Friedrich Merz klare Ansagen gemacht, ist bei einem Thema aber in die Defensive geraten. Mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident António Costa und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola traf er in der belgischen Hauptstadt die drei Spitzenvertreter der EU, auch ein Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte stand auf dem Programm. Ein Überblick.

Merz: Grenzkontrollen sind kein Alleingang

Kritische Fragen musste sich Merz vor allem wegen der Verschärfung der Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen gefallen lassen. Der Kanzler entgegnete, die Zurückweisungen stünden im Einklang mit europäischem Recht. Deutschland habe das Recht, verschärfte Kontrollen durchzuführen, sagte der CDU-Politiker. 

Gleichzeitig machte der Kanzler deutlich, dass sich die Maßnahmen nicht negativ auf den europäischen Binnenmarkt auswirken sollen. „Ich möchte das auch allen Staats- und Regierungschefs in der Europäischen Union sagen, die in diesen Tagen vielleicht die Sorge haben, dass es hier zu Einschränkungen kommt. Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass es zu Einschränkungen im Grenzverkehr kommt.“ Kommissionspräsidentin von der Leyen wollte das deutsche Vorgehen nicht abschließend bewerten. Sie sagte, dass Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen möglich seien - aber nur zeitlich begrenzt und in enger Abstimmung.

Polizisten führen an der deutsch-polnischen Grenze im Kreis Vorpommern-Greifswald Kontrollen durch. Foto: Stefan Sauer/dpa
Polizisten führen an der deutsch-polnischen Grenze im Kreis Vorpommern-Greifswald Kontrollen durch. Foto: Stefan Sauer/dpa

Ukraine: Merz unterstützt Trump und droht Putin

Dass Merz am Vorabend seiner Brüssel-Reise mit US-Präsident Donald Trump telefonierte, war Zufall. Aus diesem Gespräch brachte er aber auch eine klare Ansage mit: Den Vorstoß für eine 30-tägige bedingungslose Waffenruhe im Ukraine-Krieg unterstützte er und drohte Russland gleichzeitig mit weiteren Sanktionen, sollte es nicht darauf eingehen. 

„Insbesondere Russland ist jetzt aufgefordert, sich endlich auf einen längeren Waffenstillstand einzulassen, der Raum geben muss für einen echten Friedensvertrag“, sagte er. „Wenn dies nicht geschieht, werden wir nicht zögern, zusammen mit unseren europäischen Partnern und den Vereinigten Staaten von Amerika den Sanktionsdruck weiter zu erhöhen.“

Merz sagte auch etwa zum gewünschten Zeitplan: „Ich habe die große Hoffnung, dass es über dieses Wochenende eine Verabredung gibt für einen Waffenstillstand in der Ukraine.“

Zollkonflikt mit den USA - Merz wirbt für „down to zero“

Wie geht es weiter im Zollkonflikt mit den USA? Und wie positioniert sich die neue deutsche Bundesregierung? Merz machte in Brüssel deutlich, dass er die Bemühungen um eine Verhandlungslösung aktiv unterstützen will. Nach eigenen Angaben warb er in seinem ersten Telefonat mit Donald Trump für eine Abschaffung aller Zölle zwischen den Vereinigten Staaten und der EU. „Ich habe ihm gesagt, das ist aus meiner Sicht keine gute Idee, diesen Zollstreit zu eskalieren. Die beste Lösung wäre down to zero (runter auf null) für alles und für alle“, sagte der CDU-Politiker. Trump habe ihn eingeladen, nach Washington zu kommen, und man werde in naher Zukunft über diese Frage miteinander reden.

„Mein Eindruck ist, dass auch in Amerika die Diskussion über die nachteiligen Auswirkungen der hohen Zölle für die eigene Volkswirtschaft mittlerweile beginnt, und die nimmt er natürlich wahr“, sagte Merz.

Merz und die Nato

Bei seinem Antrittsbesuch im Hauptquartier der Nato bekam es Merz mit allen großen Themen zu tun, die das Verteidigungsbündnis derzeit beschäftigen. Neben den Forderungen von US-Präsident Trump nach Verteidigungsausgaben in Höhe von bis zu fünf Prozent der Wirtschaftskraft und Russlands Krieg war das unter anderem die Beitrittsperspektive der Ukraine. Merz äußerte sich dazu nicht besonders optimistisch. „Die Ukraine hat eine Beitrittsperspektive in die Europäische Union. Die wird zeitlich sicherlich vor dem Nato-Beitritt liegen - wenn der denn dann eines Tages zustande kommen sollte“, sagte er. Zu zeitlichen Perspektiven äußerte sich Merz nicht. Auch mit einem EU-Beitritt der Ukraine wird derzeit frühestens zu Beginn des nächsten Jahrzehnts gerechnet.

Zu zeitlichen Perspektiven bezüglich eines Nato-Beitritts der Ukraine äußerte Merz sich nicht. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Zu zeitlichen Perspektiven bezüglich eines Nato-Beitritts der Ukraine äußerte Merz sich nicht. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Aktuelle Vorschläge, das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP zu erhöhen und dann auch noch Ausgaben für militärisch nutzbare Infrastruktur in Höhe von 1,5 Prozent vorzusehen, wollte Merz nicht konkret bewerten. Er betonte aber, dass mehr Geld allein nicht die richtige Antwort auf die aktuellen Herausforderungen sei, und forderte unter anderem auch Gespräche über mehr Effizienz bei der Beschaffung von Waffensystemen. Zudem verwies Merz darauf, dass schon eine um einen Prozentpunkt höhere BIP-Quote für Deutschland derzeit ungefähr 45 Milliarden Euro mehr an Verteidigungsausgaben bedeute. Derzeit sei die Bundesrepublik mit zwei Prozent schon bei fast 100 Milliarden Euro.

Merz will europäisches Lieferkettengesetz abschaffen

In einer Pressekonferenz mit von der Leyen forderte Merz Bürokratieabbau und die Abschaffung der europäischen Lieferkettenrichtlinie. „Wir werden in Deutschland das nationale Gesetz aufheben. Ich erwarte auch von der Europäischen Union, dass sie diesen Schritt nachvollzieht und diese Richtlinie wirklich aufhebt“, sagte der CDU-Politiker. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag steht eigentlich, dass das deutsche Lieferkettengesetz durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung ersetzt werden soll, „das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt“.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und EU-Kommissionspräsidentin sowie Parteikollegin Ursula von der Leyen treten bei ihrer Pressekonferenz zuversichtlich auf. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und EU-Kommissionspräsidentin sowie Parteikollegin Ursula von der Leyen treten bei ihrer Pressekonferenz zuversichtlich auf. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

EU-Schulden? Merz sieht schwierige Diskussion voraus

Vor den anstehenden Verhandlungen über den nächsten langfristigen EU-Haushaltsplan betonte Merz in Brüssel, dass gemeinsame europäische Schulden die Ausnahme bleiben müssten. Eine dauerhafte gemeinsame Aufnahme etwa zum Aufbau der Verteidigungsindustrie schloss er aus. Gleichzeitig räumte er ein, dass das eine schwierige Diskussion werden dürfte. Etliche Staaten wie beispielsweise Frankreich sind angesichts der Bedrohungen durch Russland offen für die Aufnahme neuer gemeinsamer Schulden. Insbesondere Deutschland, die Niederlande und Österreich lehnten dies aber bislang ab.

Wünsche an den neuen deutschen Kanzler

Und was sind die Erwartungen an Merz? EU-Ratspräsident Costa sagte, er setze darauf, dass Merz Deutschland in den Mittelpunkt des europäischen Entscheidungsprozesses stelle. Ein neuer Kopf bedeute immer neue Ideen und neue Impulse. Costa äußerte sich zuversichtlich, dass Merz‘ Energie und Wille die Europäische Union nach vorn bringen werden.

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