Lokal.KI Red Pill oder Blue Pill? KI im Journalismus

Claus Hock
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Von Claus Hock
| 09.04.2025 12:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
So stellt sich ChatGPT das Bild zu diesem Newsletter vor. Foto: ChatGPT
So stellt sich ChatGPT das Bild zu diesem Newsletter vor. Foto: ChatGPT
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Von der Meldung bis zur SEO-Prüfung: KI hilft im Tagesgeschäft – auch bei der ZGO. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach Austausch und Orientierung. Folge 1 des neuen Praxis-Newsletters „Lokal-KI“.

KI im Journalismus – Fluch oder Segen? Die Meinungen gehen auseinander. Eine Studie von „die Medienanstalten“ zeigt: Viele Menschen haben Bedenken. Täuschung, fehlende Transparenz – das sind die größten Sorgen. Vor allem KI-generierte Texte und synthetische Stimmen stoßen auf Skepsis.

Gleichzeitig sehen gerade medienaffine und Nutzer*innen auch die Chancen: Unterstützung bei der Recherche, effizientere Arbeitsabläufe, bessere Artikel.

Und wir? Wo stehen wir als ZGO-Redaktion bei KI?

KI ist ein Werkzeug – kein Ersatz für Journalismus

Ich bin überzeugt: KI kann uns helfen – wenn wir es richtig anstellen. Aber sie wird niemals das ersetzen, was Journalist*innen tun: Geschichten finden, mit Menschen sprechen, Zusammenhänge erkennen, einordnen.

Rausgehen, nachhaken, den Dingen auf den Grund gehen– das bleibt unsere Aufgabe. Und ich glaube sogar: Unsere Arbeit wird durch KI noch wichtiger.

Wir wissen aber auch: KI wird von Menschen genutzt werden, um schnell Reichweite zu erzielen – oft ohne die Sorgfalt, die guter Journalismus braucht. Sie wird schon jetzt von manchen eingesetzt, um Falschinformationen zu verbreiten. Und es wird Akteure geben, die seriöse journalistische Inhalte mit KI verändern, erneut hochladen und verwerten. Das sind Herausforderungen, auf die wir Antworten finden müssen.

Doch das sollte uns nicht davon abhalten, KI ebenfalls zu nutzen. Zum Beispiel als Arbeitserleichterung. Und genau das tun wir bei der Zeitungsgruppe Ostfriesland bereits.

Wo stehen wir mit KI?

Unsere Digitalabteilung hat ein eigenes Tool entwickelt. Es ist an ChatGPT angebunden und bietet Funktionen wie:

✅ Custom-Prompts: Vorgefertigte Eingaben für wiederkehrende Aufgaben

✅ SEO-Analyse & Rechtschreibprüfung

✅ Transkription (noch ausbaufähig)

✅ KI-gestützte Blaulichtmeldungen: rund 90 % unserer Blaulichtmeldungen werden mittlerweile per KI umformuliert, überprüft und mit einem Hinweis veröffentlicht.

✅ Social-Media-Storys in Sekunden: Link eingeben, KI generiert Vorschläge – fertig.

In den kommenden Ausgaben von Lokal.KI schauen wir uns diese Tools im Detail an.

Das größte Hindernis? Wissen & Nutzung

Die KI-Tools haben wir also – aber werden sie auch genutzt? Der Kenntnisstand im Haus ist unterschiedlich. Wie immer bei neuen Technologien gibt es die Enthusiasten, die Routiniers – und die, die sich noch nicht näher damit beschäftigt haben. Und das ist völlig normal.

Ich bin sicher, anderen Medienhäusern und auch (freien) Journalist*innen geht es ähnlich. Deshalb wollen wir, Ingo Poppen und ich, mit diesem Newsletter Orientierung bieten: Welche Tools lohnen sich? Was funktioniert wirklich? Wo sind die Grenzen?

Wir orientieren uns dabei an unserer eigenen, praktischen Erfahrung. Wir werden Einblicke in unseren „Maschinenraum“ und in unsere Experimente geben. Darum wird es vor allem in den kommenden Newslettern gehen.

Meine Tooltipps – Was ich täglich nutze und wofür

Auch wenn dieser Newsletter eher „meta“ ist: Zum Einstieg ein Blick in meinen ganz persönlichen Tool-Koffer. Nahezu täglich nutze ich mittlerweile ChatGPT, manchmal auch Perplexity.

Wofür ich ChatGPT nutze:

1. Brainstorming: Wenn ich mal nicht weiterkomme, unterhalte ich mich einfach fünf Minuten mit ChatGPT. Welche Herangehensweise passt zum Thema? Welche Struktur sollte der Artikel haben?

2. Text-Teilerstellung: Überschriften, Teaser, Zusammenfassungen für Postings

3. Feedback: Gerade hat kein Kollege/keine Kollegin Zeit? „Hier ist mein Text, welche Fragen hast du noch beim Lesen?“

4. Themenkarrieren: Wir arbeiten nach Bedürfniskategorien und haben dafür einen Bot. Der analysiert fertige Artikel, ordnet ihn (recht zuverlässig) einer Bedürfniskategorie zu und macht Vorschläge für Weiterdrehen.

Wie mache ich das? Tipps fürs Prompten

Brainstorming ist bei mir meistens sehr spontan, hinter Teaser und Überschriften stecken strukturierte Prompts, hinter den Bedürfniskategorien steckt ein halber Roman. Darauf werde ich noch einen genaueren Blick werfen, aber für den Anfang: Feedback.

Möchte ich Feedback zu meinen Texten von ChatGPT, starte ich wie mittlerweile bei nahezu jeder Anfrage wie folgt:

Ich weise ChatGPT…

➡️ …eine Rolle zu,

➡️ bei Bedarf noch eine etwas genauere Beschreibung (optional)

➡️ dann gibt es einen Sorgfaltsprompt

➡️ und eine Aufgabe.

Das kann dann zum Beispiel so aussehen:

Du bist ein erfahrener Redakteur (Rolle). Deine Spezialität ist es, Texte aus leserperspektive zu bewerten (Spezifizierung, optional). Erfasse und analysiere folgenden Text sehr gründlich (Sorgfaltsprompt). Zeige mir dann Textstellen auf, bei denen für dich noch Fragen offenbleiben (Aufgabe). Arbeite dabei genau am Text und begründe deine offenen Fragen (Aufgabe, erneuter Sorgfaltsprompt, optional).

Für diesen DPA-Text „Tesla-Auslieferungen um 13 Prozent gefallen“ (ohne Paywall lesbar) gibt der Prompt unter ChatGPT 4o unter anderem aus:

Modellwechsel und Produktionspause:

Offene Frage: Wie lange genau dauerte die Produktionspause für die Umstellung auf die neue Generation des Model Y? [Im Text steht: „einige Wochen“)

Begründung: Die Dauer der Produktionspause könnte einen erheblichen Einfluss auf die Auslieferungszahlen haben. Eine genauere Angabe würde helfen, den Einfluss besser zu verstehen.

Kontroversen um Elon Musk:

Offene Frage: Welche konkreten Auswirkungen hatten die Boykottaufrufe und Protestaktionen auf die Verkaufszahlen?

Begründung: Es wäre hilfreich zu wissen, ob und wie stark die politischen Kontroversen um Musk tatsächlich die Kaufentscheidungen der Kunden beeinflusst haben.

Geht ihr anders vor? Lasst es mich wissen! Mail-Adresse findet ihr unten.

Ein weiteres Tool, welches ich nicht mehr missen möchte, ist Google NotebookLM. Mittlerweile gibt es hier auch eine Bezahlversion, aber die kostenlose reicht für den Alltag. Sehr gutes Tool um viele Daten zu sichten und zu befragen. Ich nutze es nicht für sensible Unterlagen, aber für öffentlich zugängliche Dokumente zu verschiedenen Themen.

Was ich mit Google NotebookLM mache:

Ich persönlich liebe die Audio-Zusammenfassung, der man neuerdings auch live Fragen stellen kann.

PDFs analysieren und auswerten.

Videos und Audiodateien transkribieren.

Die neue Mindmap-Funktion muss ich noch erkunden.

Wir machen in einer der nächsten Ausgaben noch einen Deep-Dive zu Google Notebook.

Apropos nächste Folge: Ingo meldet sich am 23. April und erzählt, wie er unseren Blaulicht-Bot (um-)programmiert hat.

Und jetzt ihr!

Wir wollen, dass Lokal.KI genau die Fragen beantwortet, die euch beschäftigen. Was wollt ihr über KI im Journalismus wissen? Wo seht ihr Chancen – oder Probleme?

Schreibt uns einfach: lokalki@zgo.de. Wir freuen uns auf eure Gedanken, eure Fragen und euer Feedback.

Falls ihr eine Ausgabe verpasst oder nachlesen wollt: Alle Newsletter landen mit etwas Verzögerung im Dossier: https://www.oz-online.de/thema/519/.

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