Wenn es wächst, wie es wächst Einfach den Rasen nicht mehr mähen

Doris Zuidema
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Von Doris Zuidema
| 13.02.2024 13:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Katrin de Vries, fotografiert in ihrem Garten. Foto: Eva Häberle
Katrin de Vries, fotografiert in ihrem Garten. Foto: Eva Häberle
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Was passiert, wenn man seinem Garten nicht mehr seinen Willen aufzwingt und die Natur gewähren lässt? Karin de Vries aus Heinitzpolder hat es ausprobiert – und ein Buch darüber geschrieben.

Heinitzpolder - Einfach nicht mehr den Rasen mähen und sehen, was dann wächst und gedeiht. Dieses Experiment hat Katrin de Vries auf ihrem 3000 Quadratmeter großen Grundstück in Heinitzpolder gewagt – für die Natur, mit der Natur und für sich selbst. Darüber hat sie das Buch „Ein Garten offenbart sich“ geschrieben, das am 15. Februar erscheint, und das sie bereits am Mittwoch, 14. Februar 2024, in Oldenburg vorstellt. Wir haben mit ihr gesprochen.

Frau de Vries, wann haben Sie beschlossen, Ihren Rasen nicht mehr zu mähen?

Katrin de Vries: Das war vor 13 Jahren. Nachdem ich mit meiner Familie 1996 von Berlin in meine alte Heimat zurückgekehrt war, haben mein Mann und ich es auf unserem 3000 Quadratmeter großen Grundstück genauso gemacht, wie alle unsere Nachbarn. Wir haben regelmäßig den Rasen gemäht. Spaß hat uns das nicht gemacht. Und der Boden war verdichtet. Darin lebte nichts.

Wie kam es dann zu Ihrem Sinneswandel?

Unsere beiden inzwischen erwachsenen Söhne sind beide beruflich mit dem ökologischen Umbau beschäftigt. Sie engagieren sich für die Natur und kennen sich auch wissenschaftlich damit aus. Sie haben mich dazu überredet. Aber am Anfang ist es mir schwer gefallen.

So ist das Buch gestaltet, das jetzt im dtv-Verlag erscheint.
So ist das Buch gestaltet, das jetzt im dtv-Verlag erscheint.

Was war daran so schwer?

Ich glaube, dass wir heutzutage die Natur als etwas betrachten, das wir in Schach halten müssen. Wir leben nicht in der Natur, sondern ihr gegenüber. Den Rasen nicht mehr mähen, die Wildkräuter wachsen zu lassen, bedeutet auch, Kontrolle aufzugeben. Jetzt wimmelt es auf der Wiese vor Käfern, Spinnen und Würmern.

Aber nehmen Giersch, Springkraut, Brennnesseln, Löwenzahn und Disteln dann nicht Überhand?

Es ist ja nicht so, dass ich in meinem Garten nicht eingreife. Ich habe ein Gemüsebeet, und dort entferne ich auch den Giersch oder den Löwenzahn, wenn er zu hoch wächst. Aber unter den Haselnusssträuchern, Mirabellen und Wildrosen am Rande des Grundstücks stören mich die Wildkräuter nicht. Auf meiner Wiese sprießen Kastanien und Eichen hervor. Alle zwei, drei Jahre knipse ich sie ab. Ich schneide unsere Brombeeren und Himbeeren zurück. Aber ich bewundere ihre Vitalität und ihre Wuchskraft. Ich habe ein neues Verhältnis zu den Pflanzen gewonnen.

Inwiefern?

Ich teile die Pflanzen nicht mehr in gut oder schlecht ein. Ich bin ein Teil der Natur. Und ich fühle mich nicht mehr als die einzige Gestalterin meines Gartens.

Nein? Wer macht denn noch mit?

Die Vögel lassen Früchte fallen und sorgen für die Vermehrung kleiner Bäumchen. Ich habe beobachtet, wie Ameisen die Veilchen durch den Garten transportierten und ihnen damit einen neuen Standort gegeben haben. Und das sogenannte Unkraut lockert den Boden auf. Nichts ist schlimmer, als wenn an einer Stelle nichts wächst.

Wie beurteilen denn andere Ihren Garten?

Einige Leute, die ich durchgeführt habe, fanden die Idee ganz gut. Gerade in den letzten Jahren ist ja das Bewusstsein für die Natur und deren Bedeutung für uns Menschen gewachsen. Nachgemacht hat es aber noch niemand. Dabei könnte man ja mit einem kleinen Stückchen Rasen, den man nicht mehr mäht, anfangen.

Kriegen Sie keinen Ärger mit den Nachbarn?

Wir haben nur ein Nachbarspaar. Die beiden haben sich bislang nicht beschwert. Im Gegenteil: Sie sind sehr tolerant und im besten Sinne neugierig.

Ist Ihr Garten schön?

Ich finde ihn wunderbar und gehe jeden Tag darin herum und beobachte, was dort alles wächst, krabbelt und fliegt. Aber schön im klassischen Sinne ist er nicht. Wir sind an geordnete, normierte Gärten gewöhnt. Bei mir poppen in allen Ecken Pfaffenhütchen und Ringelblumen auf. Das ist für viele Betrachter gewöhnungsbedürftig. Ich habe schon Leute sagen hören: „Das ist ja ein richtiger Dschungel“.

Was möchten Sie mir Ihrem Buch bewirken?

Es wäre schön, wenn mehr Leute zumindest einen Teil des Gartens der Natur überlassen würden. Gegen die industrielle Landwirtschaft können wir nichts unternehmen, aber in unserem eigenen kleinen Refugium können wir der Umwelt etwas Gutes tun.

Infos zum Buch

Das Buch „Ein Garten offenbart sich. Erzählung von einem anderen Leben“ von Katrin de Vries erscheint am 15. Februar im Verlag dtv und kostet 24 Euro.

Bereits am 14. Februar gibt es um 19.30 Uhr im Musik- und Literaturhaus Wilhelm 13 in Oldenburg eine Buchpräsentation mit der Autorin. Katrin de Vries spricht dann mit Trixi Stalling, Leiterin des Oldenburger Schlossgartens. Die Moderation hat die Leiterin des Literaturhauses Oldenburg, Monika Eden.

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