Jugendpfleger erzählt Vielen Kindern fehlt Geborgenheit in der Familie


Jugendpfleger quatschen nur rum und trinken Kaffee - Kim Kanschat aus Weener will mit diesem Vorurteil aufräumen. Er erzählt, wie der Beruf sich gewandelt hat und warum er wichtiger denn je ist.
Weener - Kim Kanschat entspricht so gar nicht dem Bild, das viele von einem Sozialarbeiter haben. Mit seinen 1,90 Metern, dem roten Vollbart und den breiten Schultern könnte er glatt in jedem Wikinger-Epos mitspielen. Seine stattliche Erscheinung ist bei seiner Arbeit durchaus hilfreich. Was den 51-Jährigen aber vor allem auszeichnet ist sein großes Herz für Kinder und Jugendliche. Seit Sommer 2022 ist Kanschat Jugendpfleger bei der Stadt Weener. „Mit Bastelaktionen und Kekse backen braucht man Kindern heute nicht mehr zu kommen.“

„Sozialarbeit ist mein Traumjob“, sagt er, würde sich aber mehr Akzeptanz der niedrigschwelligen sozialen Arbeit wünschen. Jugendpfleger trinken Kaffee und quatschen viel – das verbreitete Vorurteil kennt Kanschat nur zu gut. Das Problem: „Der qualitative Erfolg unserer Arbeit ist schwer messbar.“ Die Anforderungen hätten sich gewandelt. Sozialarbeiter müssen auffangen, was bei den Kindern zu kurz kommt. Viele kriegen zu Hause kein Essen, nennt Kanschat ein Beispiel. „Die Kinder werden hier nicht bekocht“, betont er. Wer mitessen will, muss auch mithelfen. Durch das gemeinsame Zubereiten und Essen entstehe Vertrauen, auch untereinander.
Vielen Kindern fehlt Geborgenheit
„Häufig fehlt den Kindern Geborgenheit und eine gewisse Struktur“, stellt er fest. Die Sozialarbeiter werden zu Bezugspersonen, eine Art Familienersatz. „Für einige ist das hier ein zweites Zuhause. Sie kommen, weil sie nicht alleine zu Hause sein wollen.“ Wenn in der Familie irgendetwas nicht stimmt, sei den Kindern das anzumerken. Meist seien es soziale Probleme, die für Stress sorgen. Wenn das Geld nicht reicht, die Eltern sich trennen oder einfach zu wenig Zeit fürs Familienleben bleibt. „Um über die Runden zu kommen, sind in den Familien inzwischen meistens beide Elternteile berufstätig“, gibt der Sozialarbeiter zu bedenken.

„Wir stellen hier keine Anforderungen“, sagt Kamschat. Das offene Angebot im Wasserturm wird vor allem von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund angenommen. Tschetschenen, Syrer, Albaner und Kroaten zählen ebenso zu den Besuchern wie Kinder aus Weeneraner Familien. „Wir haben auch einige geistig Behinderte, die regelmäßig kommen“, sagt Kanschat, der selbst aus einer Multi-Kulti-Familie kommt. Sein Vater stammt aus Danzig, seine Mutter ist Norwegerin. Er selbst ist zwar gebürtiger Papenburger, wurde aber in Oslo getauft.
Grenzen werden ausgetestet
Er finde es toll, dass sich im Jugendzentrum Wasserturm in Weener (JUZ) alle völlig ohne Vorbehalte begegnen. „Sie orientieren sich aneinander und gucken sich viel voneinander ab.“ Das sei ein wirksames Instrument, in der neuen Heimat „in die Spur zu finden“, wie Kanschat es nennt. Wenn sie nur die Eltern als Orientierungsfeld hätten, sei erfolgreiche Integration schwierig.
Es komme auch vor, dass Kinder oder Jugendliche austesten, was sie sich im JUZ herausnehmen können. Doch dem gebürtigen Papenburger fällt es nicht nur durch seine äußere Erscheinung leicht, Grenzen zu setzen. Er hat mehr als 20 Jahre Berufserfahrung, auch mit Schwererziehbaren. Er war in der Kinder- und Jugendhilfe bei der Johannesburg in Papenburg beschäftigt und als Traumaberater tätig. Zuletzt hat er bei der Caritas-Werkstatt für psychisch Kranke gearbeitet.
Normalerweise ist Kim Kanschat Einzelkämpfer im JUZ. Im Moment hat er Verstärkung. Die drei angehenden Erzieherinnen Lena Janssen, Manja Schnepel und Ramona Kromminga absolvieren langfristige Praktika im JUZ und unterstützen den Sozialarbeiter. Frauen hätten zu den Mädchen einen anderen Zugang. „Wenn man dauerhaft eine beidgeschlechtliche Besetzung hätte, wäre das optimal.“