Streit um Asylbewerber Blockieren Asylbewerber Termine beim Zahnarzt?

| | 28.09.2023 19:06 Uhr | 1 Kommentar | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Ein Zahnarzt behandelt eine Patientin. Foto: Scholz/dpa
Ein Zahnarzt behandelt eine Patientin. Foto: Scholz/dpa
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„Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen“, sagte CDU-Chef Merz über Asylbewerber. Stimmt das in Ostfriesland überhaupt? Und was sagen hiesige Zahnärzte zu den Kosten?

Berlin/Papenburg - CDU-Chef Friedrich Merz hat mit harten Aussagen über abgelehnte Asylbewerber, die sich in Deutschland nach seinen Worten „die Zähne neu machen“ lassen, scharfe Kritik ausgelöst. SPD, Grüne und Linkspartei warfen ihm Populismus vor und forderten eine Entschuldigung. Von Parteifreunden bekam er am Donnerstag Rückendeckung. Von den Zahnärzten aus der Region kam Verständnis – aber auch deutlicher Widerspruch.

Merz hatte am Mittwoch im „Welt-Talk“ gesagt, bei dem es um Migranten ging: „Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“

„Diese Aussage kann ich aus meiner Praxis nicht bestätigen – und es ist mir auch aus anderen Praxen nicht bekannt“, sagt der Auricher Zahnarzt Dr. Dr. Wolfgang Triebe, Vorsitzender der Verwaltungsstelle Ostfriesland der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen. „Im wesentlichen führen wir bei Asylbewerbern Schmerzbehandlungen durch.“ Das deshalb andere Patienten keine Termine mehr bekämen, „halte ich für ausgeschlossen“ sagt Triebe. „Allerdings arbeiten auf dem Land viele Praxen schon am Limit, weil es an Zahnärzten fehlt.“

Genaue Zahlen für Ostfriesland gibt es nicht

Nach Einschätzung von Dr. Michael Debbrecht, Vorsitzender der Bezirksstelle Ostfriesland der Zahnärztekammer Niedersachsen, kämen „durchaus schon viele Asylbewerber“ in die Praxen der Region. Genaue Zahlen habe er aber nicht. „Es ist aber nicht so, dass die jetzt unsere Terminlisten verstopfen. Wir können durchaus auch unsere deutschen Patienten behandeln. Allerdings durch den Zahnarztmangel – auch gerade hier in der Region – sind ja generell Termine knapp.“ Der Behandlungsaufwand sei bei den Asylbewerbern „im Schnitt sehr viel umfangreicher“, weiß der Zahnarzt, der auch als Gutachter tätig ist: „Viel mehr Karies, viel mehr zerstörte Zähne.“

Sorgt wieder für Diskussionen: Friedrich Merz – CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender. Foto: Nietfeld/dpa
Sorgt wieder für Diskussionen: Friedrich Merz – CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender. Foto: Nietfeld/dpa

Wer zahlt für die Behandlung?

Debbrecht sieht das Problem aber eher woanders – bei den Kosten. Asylsuchende bekommen nach 18 Monaten in Deutschland eine Versichertenkarte. „Sie bekommen dann die gleichen Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse wie die Bundesbürger. Das ist eine politische Entscheidung, die man durchaus hinterfragen kann“, findet er. Dass diese Behandlungen auch aus dem Topf und den Beiträgen der Kassen bezahlt werden – „das sehe ich total kritisch“, sagt Debbrecht. „Wenn wir schon nicht genug Geld für unsere Patientenversorgung haben, muss man sich fragen, ob das so richtig ist. Da wäre ich der Meinung, dass der Staat das Geld für die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber zur Verfügung stellen sollte und nicht die Kassenbeitragszahler.“

Kassen können Gutachter schicken

Laut Ausländerzentralregister waren Ende 2022 bundesweit rund 304.000 Menschen ausreisepflichtig, davon etwa 248.000 mit einer Duldung. „Dass sich Geflüchtete massenhaft in Deutschland die Zähne machen lassen, (...) das geht im Regelfall nicht“, sagte der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Christoph Benz, der „FAZ“. Und auch Triebe betont: „Bei Zahnersatzleistungen haben die Kassen auch die Möglichkeit, das noch überprüfen zu lassen.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser schrieb Richtung Merz: „Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD“. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang warf dem CDU-Chef sogar vor, Falschinformationen zu verbreiten. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der „Rheinischen Post“, Hunderttausende abgelehnte Asylbewerber könnten zum Nulltarif das deutsche Gesundheitssystem nutzen. Darüber müsse man diskutieren.

Mit Material von DPA

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