Menschen aus Niger in Ostfriesland „Wir wollen nur Freiheit und Frieden für unser Land“

Nikola Nording
|
Von Nikola Nording
| 25.08.2023 17:07 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Das Smartphone ist das wichtigste Informationsmittel für Menschen aus Westafrika, um zu erfahren, was in ihren Heimatstaaten los ist. Ali Koné (hockend) diskutiert mit Vereinsmitgliedern über die politische Lage. Foto: Ortgies
Das Smartphone ist das wichtigste Informationsmittel für Menschen aus Westafrika, um zu erfahren, was in ihren Heimatstaaten los ist. Ali Koné (hockend) diskutiert mit Vereinsmitgliedern über die politische Lage. Foto: Ortgies
Artikel teilen:

Im westafrikansichen Land Niger ist die politische Lage nach einem Militärputsch unübersichtlich. Menschen aus Niger, die in Ostfriesland leben, sind in Sorge um ihre Angehörigen und üben Kritik.

Ihrhove - Sie schauen mit Sorge auf ihre Heimatländer. Die fünf Männer aus Niger und Guinea schauen immer wieder auf ihre Smartphones. Diskutieren auf Französisch, was sie gelesen und gehört haben. Der 25-jährige Moussa Amadou und der 50-jährige Boubarca Dgibo sind besonders aufgebracht. Sie sind in Niamey, der Hauptstadt von Niger in Westafrika, geboren. Viele Familienmitglieder leben noch dort und nun droht ein Krieg in ihrem Heimatland.

Was und warum

Darum geht es: In Niger ist durch einen Putsch die Regierung gestürzt worden. Wir haben Menschen aus Niger, die in Ostfriesland leben, dazu befragt.

Vor allem interessant für: Menschen, die sich für die politische Entwicklung in Afrika interessieren

Deshalb berichten wir: Der Militärputsch in Niger könnte einen Krieg nach sich ziehen. Wir wollten wissen, was Menschen aus der Region in Ostfriesland darüber denken und ob sie sich Sorgen um ihre Angehörigen machen.

Die Autorin erreichen Sie unter: n.nording@zgo.de

Am 26. Juli entmachtete das Militär den Präsidenten und setzte die Verfassung aus. Die Putschisten haben seither eine eigene Übergangsregierung benannt. In Niger leben rund 26 Millionen Einwohner. In dem Land in der Sahelzone am südlichen Rand der Sahara haben Frankreich und die USA wichtige Militärstützpunkte, das zudem an einer zentralen Migrationsroute nach Europa liegt. Nach dem Putsch hatte die westafrikanische Staatenorganisation Ecowas eine Bereitschaftstruppe aktiviert und mit Gewalt gedroht, sollte der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Bazoum nicht wieder ins Amt eingesetzt und die verfassungsmäßige Ordnung nicht wiederhergestellt werden. Seit dem Wochenende gibt es jedoch Gespräche zwischen der Ecowas und der Junta im Niger.

Hunger, Armut und Gewalt

Die Moussa Amadou und Boubarca Dgibo kamen vor fünf Jahren aus der Sahelzone nach Ostfriesland. Armut, Hunger und Gewalt herrscht in ihrem Heimatland. Doch sie sind nicht in Sorge wegen der Übergangsregierung, sondern wegen des drohenden Krieges. Sie kritisieren die Haltung der Ecowas. „Wir wollen einfach in Frieden und Freiheit leben“, sagt Amadou. Das bedeutet für ihn: Die Franzosen und auch andere westliche Mächte sollen sich raushalten. „Wir möchten demokratisch wählen“, sagt Dgibo. Besonders die französische Politik verfolge nur ihre Interessen und nicht zum Vorteil von Niger.

1960 wurde das westafrikanische Land von Frankreich unabhängig. Die folgenden Jahrzehnte waren durch wechselnde Militärregierungen und mehrere Staatsstreiche geprägt, schreibt das Bundesentwicklungsministerium zu Niger. Im Februar 2021 fand der erste demokratische Machtwechsel in der Geschichte des Landes statt. Bei den Präsidentschaftswahlen, zu denen Mahamadou Issoufou nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte, gewann der frühere Innenminister Mohamed Bazoum der regierenden Partei für Demokratie und Sozialismus (Parti nigérien pour la démocratie et le socialisme, PNDS). Er steht nach dem Putsch nun unter Hausarrest.

Wunsch nach Demokratie

Mit seiner Arbeit sind die Männer aus Westoverledingen ganz und gar nicht zufrieden. „Wenn man in Niger einen Job haben möchte, wird man immer gefragt: Wer ist dein Vater?“, erzählt Boubarca Dgibo. Korruption sei an der Tagesordnung. Das habe auch Bazoum nicht verändert, es sei eher schlimmer geworden. Hinzu kommt, dass Niger seit Jahrzehnten mit Terroristen zu kämpfen hat. „Sie ziehen durch die Dörfer und töten unsere Leute“, sagt Moussa Amadou. Das sei schrecklich. Sein Großvater sei so ums Leben gekommen.

Dabei habe Niger gute Voraussetzungen, um nicht eines der ärmsten Länder der Welt zu sein. „Wir haben Bodenschätze wie Erdöl“, sagt der 50-Jährige. „Wenn wir diese Ressourcen besser für die Bevölkerung im Niger nutzen würden, könnte Niger ein Land wie Katar sein“, sagt er.

Kommen aus Westafrika und leben seit fünf Jahren in Ostfriesland: Abdoulage Barry (von links), Moussa Amadou, Husseini Harouna, Boubarca Dgibo und Ibrahima Sory Doumbouya. Foto: Ortgies
Kommen aus Westafrika und leben seit fünf Jahren in Ostfriesland: Abdoulage Barry (von links), Moussa Amadou, Husseini Harouna, Boubarca Dgibo und Ibrahima Sory Doumbouya. Foto: Ortgies

Zu den wichtigen Exportprodukten Nigers gehören Rohstoffe wie Uran und Erdöl, aber auch landwirtschaftliche Produkte wie Nutztiere. Allerdings sind nur 15 Prozent des Landes landwirtschaftlich nutzbar, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit auf ihrer Homepage über Niger. „Viele Faktoren wie beispielsweise die geografische Lage des Landes, die schlechte Infrastruktur sowie die problematische Sicherheitslage beeinträchtigen die Entwicklung des Landes“, schreibt die Entwicklungshilfegesellschaft weiter.

Ali Koné, Vorsitzender der Afrikanischen Diaspora im Landkreis Leer, sorgt sich ebenfalls über die Lage in der Region. Auch er fordert, dass die Franzosen das Land verlassen und die afrikanische Bevölkerung die Demokratisierung des Landes selbst in die Hand nimmt. „Wenn es zu einem Krieg kommt, werden wieder viele Flüchtlinge nach Europa kommen. Darüber werden sich dann wieder viele Menschen beklagen, doch niemand weiß, warum es eigentlich so ist“, sagt er.

Ähnliche Artikel