Geheimnisse um Delikatesse Krabbenpulen – mit dem richtigen Dreh geht‘s kinderleicht

Tatjana Gettkowski
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Von Tatjana Gettkowski
| 23.06.2023 11:07 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Kopf oder Schwanz zuerst abziehen? Beim Krabbenpulen gibt es unterschiedliche Techniken. Foto: Ortgies
Kopf oder Schwanz zuerst abziehen? Beim Krabbenpulen gibt es unterschiedliche Techniken. Foto: Ortgies
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Krabbenpulen ist ganz einfach, wenn man die richtige Technik beherrscht und ein bisschen Fingerspitzengefühl hat. Wir haben Profis in Ditzum auf die Finger geschaut und einen Selbstversuch gemacht.

Ditzum - Urlauber und Ostfriesen lieben sie: Krabben auf Schwarzbrot oder Brötchen oder als Fischerfrühstück. Das Fleisch aus der Schale zu bekommen, ist allerdings eine Wissenschaft für sich, daher drücken sich viele vorm Krabbenpulen. Ich nicht. Ich hab mich beim Team des Ditzumer Traditionskutters „Hinderk“ freiwillig zum Krabbenpulen gemeldet. Dort wird jede Hand gebraucht. 80 Kilogramm Granat wollen geschält werden, damit Besucher des Ditzumer Hafenfestes am 8. und 9. Juli mit Krabbenbrot bewirtet werden können.

Die Besucher des Ditzumer Hafenfests können sich schon auf eine Spezialität freuen: Krabbenbrot. 80 Kilogramm Krabben wurden dafür diese Woche gepult und bis zum Fest eingefroren. Foto: Ortgies
Die Besucher des Ditzumer Hafenfests können sich schon auf eine Spezialität freuen: Krabbenbrot. 80 Kilogramm Krabben wurden dafür diese Woche gepult und bis zum Fest eingefroren. Foto: Ortgies

Gemeinsam mit 15 fleißigen Helfern sitze ich an einem langen Tisch im Vereinsheim des SV „Boreas“ direkt am Hafen. Berend Bruhns kippt einen Zehn-Liter-Eimer Granat vor uns aus und stellt jedem ein kleines Glasschälchen für das gepulte Fleisch hin. Die Krabben kommen aus dem Kühlhaus und sind noch ganz schön kalt. Meine ersten Pulversuche scheitern kläglich. Die Krabben reißen einfach in der Mitte ab. Macht aber auch nichts. Die lasse ich mir selber schmecken. „Hey, wer nascht, muss einen ausgeben“, ruft Bruhns zum Spaß.

Klönschnack beim Krabbenpulen in geselliger Runde. Foto: Ortgies
Klönschnack beim Krabbenpulen in geselliger Runde. Foto: Ortgies

„Am besten lassen sie sich pulen, wenn sie Zimmertemperatur haben“, sagt Andreas Pruski, der sich richtig gut auskennt. Der Ditzumer geht selbst mit dem Kutter auf Granatfang. Und tatsächlich klappt das Pulen nach ein paar Minuten wie am Schnürchen. Dabei hat jeder so seine eigene Technik. Ich ziehe den Krabbenkörper etwas in die Länge. Dann eine kurze Drück- und Drehbewegung in der Körpermitte der Krabbe, den Schwanz lösen und das Krabbenfleisch rausziehen. „Ich mache das auch so, aber manche ziehen auch erst den Kopf ab“, erzählt Andrea Weide, die den Dreh raus hat und ziemlich schnell pulen kann.

Andrea Stahlschmidt ist dagegen eine Anfängerin. Die gebürtige Hessin pult an diesem Tag zum ersten Mal Krabben. „Die sind doch ganz dreckig. Warum werden die vorher nicht geputzt?“, will sie von Berend Bruhns wissen. Der hat eine Erklärung parat. Was sie für Dreck am Bauch hält sind nämlich Granateier. „Du sollst die Krabbe nicht entkleiden, sondern pulen“, kommentiert Bruhns die eigenwillige Technik der Neu-Ditzumerin. Sie friemelt die Krabbe der Länge nach auf und holt das Fleisch heraus, das dadurch etwas fransig ausfällt. „Mir macht das hier in der Runde richtig Spaß.“

Zum Krabbenpulen braucht man Fingerspitzengefühl. Vor allem kleine Exemplare brechen leicht ab. Foto: Gettkowski
Zum Krabbenpulen braucht man Fingerspitzengefühl. Vor allem kleine Exemplare brechen leicht ab. Foto: Gettkowski

Bei mir kommt langsam die Routine zurück. Ich bin gewissermaßen Profi. In meiner Jugendzeit habe ich sogar mal an der Küste einen Krabbenpul-Wettbewerb gewonnen. Wie lange ich damals für 500 Gramm Granat gebraucht habe, weiß ich aber nicht mehr.

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Krabbenpulen in Ditzum
22.06.2023

Wie man die Schale der Krabben entfernt, habe ich schon in meiner Kinderzeit gelernt. Die Nachbarn meiner Großmutter haben sich mit der Pulerei ein bisschen Geld dazu verdient. Wir Kinder durften immer helfen und waren nach einiger Zeit ganz flink mit dabei. Ich habe das Bild noch vor Augen wie die Mutter mit einer ärmellosen Kittelschürze bekleidet am Küchentisch saß. Das Krabbenfleisch sammelte sie in einer Hand und die Flüssigkeit tropfte an ihrem nackten Ellenbogen herunter.

80 Kilogramm Granat ergeben im gepulten Zustand nur noch ein Drittel des ursprünglichen Gewichts. Foto: Ortgies
80 Kilogramm Granat ergeben im gepulten Zustand nur noch ein Drittel des ursprünglichen Gewichts. Foto: Ortgies

„Diese Heimarbeit würde heute aus hygienischen Gründen gar nicht mehr erlaubt werden“, sagt Andreas Pruski. Heute werden die Krabben in Nordafrika gepult. „Das ist alles superhygienisch. Die haben da riesige Hallen und die Leute verhältnismäßig gut bezahlt“, erzählt Pruski. Das Team am Tisch pult dagegen zum Vergnügen. „Es ist gesellig und man kann zusammen klönen. Das macht einfach Spaß“, sagt Pruskis Frau Lisa, die für diese Aktion sogar ihren Yoga-Kursus sausenlassen hat.

Tatjana Gettkowski, Rixte Handwerker, Andrea Weide und Sabine Groothuis haben sichtlich Spaß beim gemeinsamen Krabbenpulen. Foto: Ortgies
Tatjana Gettkowski, Rixte Handwerker, Andrea Weide und Sabine Groothuis haben sichtlich Spaß beim gemeinsamen Krabbenpulen. Foto: Ortgies

Berend Bruhns hat auch seinen Spaß. Früher hatte er selbst einen Kutter, heute ist er Rentner. Ich staune, wie schnell er mit seinen riesigen Händen die Schale entfernt. Das geht ruck, zuck. „Wie groß und dick die Finger sind, spielt keine Rolle. Es kommt auf das Fingerspitzengefühl an“, sagt der Krabbenfan. Er könnte jeden Tag Krabben essen. „Am liebsten mag ich sie auf Schwarzbrot mit Butter und einer Prise Salz.“ Aber auch Erbsensuppe habe er mit einer Hand voll Krabben schon besonderen Pepp gegeben. Nach etwa vier Stunden sind die Krabben ausgepult. Die Fingerkuppen sind so schrumpelig wie nach einem langen Wannenbad und es wird einige Handwäschen dauern bis der Krabbengeruch verduftet.

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