Firmengeflecht Emder Polen-Ausbeuter bekommen neue Leiharbeiter-Lizenz

Daniel Noglik
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Von Daniel Noglik
| 04.05.2023 18:27 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Firmen-Chef Jonas P. ließ sich seinen aufwendigen Lebensstil einiges kosten. Grafik: Fischer
Firmen-Chef Jonas P. ließ sich seinen aufwendigen Lebensstil einiges kosten. Grafik: Fischer
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In Emden hat eine Firma polnische Arbeiter in schäbigen Wohnungen untergebracht und nur unregelmäßig bezahlt. Die Behörden schieben dem keinen Riegel vor – sondern stellen eine neue Genehmigung aus.

Emden/Köln - Das Netzwerk um den Mann, der im Umfeld des Emder VW-Werks Leiharbeiter ausgebeutet hatte, hat erneut offiziell die Erlaubnis bekommen, Arbeitnehmer zu verleihen – obwohl die Bundesagentur für Arbeit dem Kopf hinter den Machenschaften die Erlaubnis in der Vergangenheit wegen Unstimmigkeiten entzogen hatte. Das geht aus Unterlagen, in die wir Einsicht nehmen konnten, und den Äußerungen einer Agentur-Sprecherin hervor.

Mit seinem Kölner Firmengeflecht hatte Jonas P. (Name geändert) vor allem Polen in Emden in schäbigen Wohnungen untergebracht, sie nicht regelmäßig bezahlt und zum Teil ohne Sozialversicherung beschäftigt. Im Raum stehen zudem mutmaßlich gefälschte medizinische Bescheinigungen für die Leiharbeiter, die unseren Erkenntnissen zumindest unternehmensintern verschickt worden sein sollen. Die ursprünglichen Unternehmen der Gruppe haben inzwischen keine Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) mehr.

Neue Geschäftsführung beseitigt Probleme

Unseren Informationen zufolge war ein Grund für den Entzug der Erlaubnis, dass Jonas P. in einem ANÜ-Antrag gelogen hatte. Mutmaßlich hing das damit zusammen, dass nur im rechtlichen Sinne zuverlässige Menschen die Lizenz bekommen dürfen. Zu versagen ist dem Gesetz zufolge die Lizenz etwa dann, wenn arbeitsrechtliche Pflichten oder Regeln des Sozialversicherungsrechts nicht eingehalten werden. Unseren Recherchen zufolge soll im Fall von P. beides zutreffen.

Der Kölner und seine Mitstreiter lösten dieses Problem allerdings: Für die bisherigen Firmen übernahm ein enger Vertrauter P.s auf dem Papier die Geschäftsführung – inklusive der notariell beglaubigten Bekundung: „Ich versichere, dass keine Umstände vorliegen, aufgrund derer ich (. . .) vom Amt eines Geschäftsführers ausgeschlossen wäre (. . .).“ Die Lebensgefährtin der rechten Hand von Jonas P. wiederum gründete eine eigene Firma – und über die hat sich das Firmengeflecht die neue ANÜ-Lizenz organisiert.

Ursprüngliche Firma in Liquidation

Eine Sprecherin der Agentur bestätigt: „Die (. . .) GmbH ist seit 25. 04. 2023 im Besitz der Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitnehmerüberlassung.“ Wie kann das angesichts unserer auch der Agentur bekannten Recherche-Ergebnisse sein? Wir fragten: „Inwieweit wurde bei der Genehmigung die Nähe der geschäftsführenden Gesellschafterin zur (ehemaligen) P.-Gruppe berücksichtigt?“ Die Antwort: „Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen des Datenschutzes keine (. . .) Informationen weitergeben dürfen.“

Die ursprüngliche Firma von Jonas P. ist insolvent und befindet sich in Liquidation. Eröffnet hatte das Insolvenzverfahren aber nicht der Geschäftsführer selbst – sondern die AOK als Gläubigerin des Unternehmens. Die Firma soll der Krankenkasse nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge schulden. Unseren Informationen zufolge wurde auch die Staatsanwaltschaft Köln über das Verfahren in Kenntnis gesetzt – und ermittelt wegen des Verdachts einer möglichen Insolvenzverschleppung.

Ableger in den Niederlanden

Darüber hinaus gibt es allerdings keine Ermittlungen. „Ich kann nunmehr mitteilen, dass bei der Staatsanwaltschaft Köln kein (Wirtschaftsstraf-)Verfahren gegen Verantwortliche eines Kölner Zeitarbeitsunternehmens im Zusammenhang mit Tätigkeiten in Ostfriesland anhängig ist“, heißt es. Wir hatten auch die Ärzte, deren Unterschriften sich auf den mutmaßlich gefälschten Attesten befunden hatten, mit den Recherchen konfrontiert und nach rechtlichen Schritten gefragt. Die Antwort: „Ausschließlich in der Kommunikation mit Ihnen wurde die Firma (. . .) thematisiert.“

Jonas P. und seinen Mitstreitern drohen damit mit Ausnahme der Insolvenz-Sache keine Konsequenzen. Im Gegenteil: Sie expandieren weiter. Kürzlich wurde die nächste Firma gegründet – mit Sitz in München. Ein Eintrag im Handelsregister existiert noch nicht, ebenso wenig eine Angabe über den Geschäftsführer im Impressum der Webseite. Offenbar stellt sich das Unternehmen aber international auf: Es soll schon einen Ableger in den Niederlanden geben.

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