Best of 2022 Helfer im Dauereinsatz

Claus Hock
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Von Claus Hock
| 15.03.2022 12:45 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Eine Frau wird direkt am Grenzübergang beim Ort Medyka im März von frewilligen Helferinnen versorgt. Foto: Hock
Eine Frau wird direkt am Grenzübergang beim Ort Medyka im März von frewilligen Helferinnen versorgt. Foto: Hock
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März 2022: Rund um die Grenze zur Ukraine sind zahlreiche Freiwillige im Einsatz. Unser Reporterteam fasst die Eindrücke zusammen.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat Europa erschüttert. Kurz nach Beginn des Krieges war ich mit meiner Kollegin Jasmin Keller mehrere Tage in der Grenzregion von Polen zur Ukraine unterwegs. Einer der eindrucksvollsten Reporter-Einsätze, die ich erlebt habe. Dieser Artikel steht stellvertretend für alle, die während der Tour entstanden sind.

Przemysl/Medyka - Rund 1,8 Millionen Menschen sind aus der Ukraine nach Polen geflüchtet – und es werden immer mehr. In Empfang genommen werden die Menschen von zahlreichen freiwilligen Helfern. Doch wer sind diese Menschen?

Auffällig ist vor Ort: Es sind sehr viele verschiedene Organisationen vor Ort. Das reicht von den Zeugen Jehovas über „United Sikhs“ bis hin zur deutschen Tierrettung. Männer und Frauen, Jung und Alt, sind sowohl direkt an der Grenze als auch in den umliegenden Auffangstationen rund um die Uhr im Einsatz.

„Es ist nicht nur eine Frage des menschlichen Anstandes“

So auch Agnieszka. Die 18-jährige Polin ist freiwillige Helferin bei „Stowarzyszenie Straży Narodowej“, dem „Verband der Nationalgarde“. Unser Reporterteam traf sie das letzte Mal kurz vor den ersten Angriffen auf eine Militärbasis Lwiw. Sie sortierte Babynahrung nahe dem Grenzübergang. Nach den Raketenangriffen fragten wir sie, wie es ihr geht. „Wir sind sehr bestürzt über den Angriff auf Lwiw“, sagte sie uns. „Mit jedem Angriff machen wir uns mehr und mehr Sorgen über das Schicksal der Ukrainer.“ Sie denke oft darüber nach, dass die Angriffe näherkommen – und irgendwann auch die Grenzregion treffen könnten. „Wir dürfen uns von diesen negativen Gefühlen nicht überwältigen lassen und müssen sie als Ansporn nutzen, um den Flüchtlingen zu helfen“, so Agnieszka. „Es ist nicht nur eine Frage des menschlichen Anstands, sondern auch unsere Pflicht als Katholiken, denen zu helfen, die in Not sind.“

Die 18-jährige Agnieszka sortiert Babynahrung direkt an der Grenze zur Uraine. Wie die junge Polin helfen in der Grenzregion zahlreiche Menschen bei der Versorgung der Geflüchteten. Foto: Hock
Die 18-jährige Agnieszka sortiert Babynahrung direkt an der Grenze zur Uraine. Wie die junge Polin helfen in der Grenzregion zahlreiche Menschen bei der Versorgung der Geflüchteten. Foto: Hock

Als unser Reporterteam Agnieszka das erste Mal trifft, fällt nicht zuletzt ihre Freundlichkeit auf. Beim zweiten zufälligen Aufeinandertreffen am Grenzübergang begrüßt sie uns auf englisch gar mit „Hey, die deutschen Journalisten! Wie geht es euch?“ und einem kurzen, aber freundlichen Drücken an der Schulter. Eine Freundlichkeit, die eigentlich alle Helfer, denen wir begegnet sind, an den Tag legen – trotz Dauereinsatzes.

Captain Jack Sparrow

Die Geflüchteten mit Freundlichkeit zu begrüßen, ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu geben und auch mal ein Lächeln auf die übermüdeten und unsicheren Gesichter zu zaubern, das leisten die Helferinnen und Helfer tagtäglich. Manche wählen dabei Wege, die auf den ersten Blick irritierend sind, aber dennoch effektiv. So ist auch „Captain Jack Sparrow“ am Grenzübergang Medyka im Einsatz: Lillan Boulard, ein Freiwilliger aus Frankreich, hat sich als der Filmcharakter verkleidet und versucht so, gerade Kindern ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.

Auch David Fox-Pitt gehört zu denen, die einem vor Ort sofort ins Auge springen: Der Schotte trägt standesgemäß Kilt – und verteilt Heißgetränke und selbstgebackene Pizzen an die Menschen am Grenzübergang. Fox-Pitt ist eigentlich Motivationsredner und organisiert sonst „Challenges“ für den guten Zweck. In den vergangenen Tagen hallte seine geübte Stimme über den Gang zur Grenze rund um den Stand der „Siobhan trust charity“.

Unterschiedliche Aufgaben

Neben den Freiwilligen, die über Organisationen an die Grenze gefahren sind, gibt es auch diejenigen, die mehr oder weniger auf eigene Faust unterwegs sind und sich vor Ort jemandem anschließen. Philipp Lihs, der junge Leverkusener, und viele seiner Kolleginnen und Kollegen sind so ein Beispiel. Sie helfen nahe des Grenzüberganges Medyka in einer Auffangstation.

Der Schotte David Fox-Pitt kocht Tee und Kaffee am Grenzübergang. Foto: Hock
Der Schotte David Fox-Pitt kocht Tee und Kaffee am Grenzübergang. Foto: Hock

Hier ist die Arbeit etwas anders als direkt an der Grenze, obwohl Übergang und Station nur wenige Hundert Meter voneinander getrennt sind. An der Grenze geht es um die Versorgung „im Vorbeigehen“, bevor die Geflüchteten in bereitgestellte Busse steigen oder in die Autos von Freunden und Familie, die an der Straßensperre durch die Polizei warten. In der Auffangstation werden hingegen Menschen versorgt, die mindestens über Nacht bleiben. Es gibt eine Spielecke für Kinder, eine große Küche und grundlegende sanitäre Anlagen. Auch werden hier Hilfsgüter für den Weitertransport in die Ukraine angenommen.

Unter den Helfern sind auch Ukrainerinnen und Ukrainer, die selbst geflohen sind. Maria zum Beispiel, die unser Reporterteam als Dolmetscherin unterstützte. Auch die 18-jährige Anna hat sich mittlerweile als Freiwillige gemeldet. „Ich versuche, so viel zu helfen, wie ich kann“, schreibt sie uns über Instagram. Währenddessen treibt nicht nur sie die Sorge um Freunde und Familie um, die weiterhin in der Ukraine sind. Anna kommt aus Kiew, wo am Dienstagmorgen eine Reihe russischer Angriffe auch ein Wohngebiet im Westen der Stadt trafen.

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