Aufarbeitung

Dritter Verschickungskinder-Kongress auf Borkum

Daniel Noglik
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Von Daniel Noglik
| 09.11.2021 18:57 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 2 Minuten
Fast immer reisten die Kinder ohne ihre Eltern mit dem Zug an. Symbolfoto: Tomsickova/stock.adobe.com
Fast immer reisten die Kinder ohne ihre Eltern mit dem Zug an. Symbolfoto: Tomsickova/stock.adobe.com
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Eine Initiative will das Leid der Verschickungskinder der 50er bis 80er Jahre aufarbeiten. Dafür treffen sich Geschädigte und Forscher auf Borkum – wo es damals auch viel Trauer gab.

Borkum - Vom 18. bis zum 21. November findet auf Borkum der inzwischen dritte Kongress der Initiative Verschickungskinder statt. Die Initiative um Anja Röhl, die das Leid vieler in den 50er bis 80er Jahren in Kurheime verschickter Kinder öffentlich gemacht hat, setzt sich für eine bundesweite Aufarbeitung der Geschehnisse ein. Verordnet hatten diese Kuren damals zahlreiche Jugendämter und Ärzte. Viele der Jungen und Mädchen kamen auch an die ostfriesische Nordseeküste, wurden beispielsweise in Heimen auf Borkum, Norderney oder Langeoog untergebracht. Eine Anmeldung zum Kongress ist per Mail an kongress@verschickungsheime.de möglich. Das Programm ist unter www.verschickungsheime.de zu finden.

Borkum ist ein guter Ort, um mit der Aufarbeitung weiterzumachen: „„Im Jahr 1964 war ich zehn Jahre alt und verbrachte auf Borkum die schlimmste Zeit meines Lebens“, hatte etwa eine Betroffene vor etwa zwei Jahren der Redaktion erzählt. Es habe kaum etwas Genießbares zu essen gegeben, zumindest für die Mädchen. „Morgens bekamen wir vergorene Milchsuppe vorgesetzt, die Jungen bekamen Brötchen mit Marmelade.“ Am Mittag hätten die Kinder verschimmelte Wurst oder undefinierbaren Matsch essen müssen. Kleinere Kinder hätten die Mitarbeiter „gestopft wie eine Weihnachtsgans“. Nachdem die „Tante“ sich eine Gummischürze angezogen hatte, sei der Kopf des betroffenen Kindes zwischen die Knie geklemmt worden.

Todesfall im Heim

Im Mai 1965 war es sogar zu einem Todesfall innerhalb eines Heimes gekommen: Ein Vierjähriger Osnabrücker starb am 22. Mai 1965 im Emder Krankenhaus. Bevor er nach Emden kam, war er in der Obhut des Kinderkurheims auf Borkum. An die Behörden schrieb die Heimleiterin kurz nach dem Tod, sie bedauere, dass es elf Jahre nach der Eröffnung ihres Heims einen ersten Todesfall gegeben habe. Sie schreibt auch: „Die Todesursache ist eine plötzliche Erkrankung, die mit der Betreuung im Heim in keinem Zusammenhang stehen kann.“ Eine ärztliche Bescheinigung vom 24. Mai 1965 attestiert: „Diagnose: Herz- und Kreislaufversagen.“ Details zu den Todesumständen gibt es nicht. Eine Obduktion hat es offensichtlich nicht gegeben.

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