Berlin (dpa)

Krankenkassen brauchen Extra-Milliarden vom Bund

| 13.10.2021 19:44 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Der zusätzliche Finanzbedarf der Krankenkassen liegt bei 7 Milliarden Euro. Foto: Jens Kalaene/ZB/dpa
Der zusätzliche Finanzbedarf der Krankenkassen liegt bei 7 Milliarden Euro. Foto: Jens Kalaene/ZB/dpa
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Die Ausgaben der Krankenkassen explodieren. Deshalb muss der Bund im nächsten Jahr nun voraussichtlich deutlich mehr Geld zuschießen als geplant, damit die Beiträge nicht angehoben werden müssen.

Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland benötigen im kommenden Jahr einen Rekordzuschuss vom Bund. Hintergrund sind stark gestiegene Ausgaben. Nach Kassenangaben auch wegen Corona, aber vor allem wegen „ausgabenintensiver“ Gesetzgebung der vergangenen Jahre.

Wie der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mitteilte, gibt es einen zusätzlichen Finanzbedarf von 7 Milliarden Euro. Dies habe der sogenannte Schätzerkreis aus Experten von Bundesgesundheitsministerium, Bundesamt für Soziale Sicherung und GKV-Spitzenverband prognostiziert.

Das Gremium rechnet laut eigener Mitteilung mit Ausgaben für die Krankenkassen von rund 284 Milliarden Euro, nach voraussichtlich 272 Milliarden Euro in diesem Jahr. Da gesetzlich festgeschrieben wurde, dass die Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung im nächsten Jahr bei durchschnittlich 1,3 Prozent stabil gehalten werden sollen, muss die Lücke durch weiteres Geld vom Bund geschlossen werden.

Der Bundeszuschuss fließt, wie auch die Krankenkassenbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in den Gesundheitsfonds, aus dem die Ausgaben der Kassen bestritten werden. Üblicherweise beträgt der Zuschuss 14,5 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr wurde mit weiteren 5 Milliarden aufgestockt. Für das kommende Jahr waren bereits zusätzliche 7 Milliarden eingeplant. Mit weiteren 7 Milliarden würde der Zuschuss auf 28,5 Milliarden Euro anwachsen. Die Bundesregierung muss dafür eine Verordnung auf den Weg bringen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte: „Wir haben in den letzten drei Jahren viel investiert: in bessere Pflege, in schnellere Digitalisierung, in flächendeckende Versorgung - und vor allem auch in die Pandemiebewältigung. Das zahlt sich für die Patientinnen und Patienten aus. Aber das kostet, zumal nach einer Wirtschaftskrise.“

Das Parlament habe die Zusage stabiler Beiträge ins Gesetz geschrieben. Zu dieser Sozialgarantie stehe man. „Daher werden wir nun zügig eine entsprechende Rechtsverordnung vorlegen und mit dem Bundesministerium für Finanzen abstimmen.“

Kritische Stimmen

Vom AOK-Bundesverband kamen kritische Stimmen: „Mit dem heutigen Tag wird das Ausmaß der finanziellen Misere in der Gesetzlichen Krankenversicherung also amtlich“, erklärte Knut Lambertin, alternierender Aufsichtsratsvorsitzender für die Versichertenseite.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Arbeitgeberseite und Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Volker Hansen, sagte: „Der Bundesgesundheitsminister hat mit seiner Ausgabenpolitik und Gesetzgebung wesentlich dazu beigetragen, dass die Gesetzliche Krankenversicherung in diese schwierige Lage geraten ist.“ Er müsse jetzt Verantwortung übernehmen und den Fehlbetrag aus Steuermitteln aufbringen.

Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, erklärte, Spahn habe das Defizit selbst verursacht. „Seine teuren Reformen haben ein wachsendes Loch in die Finanzen der Krankenkassen gerissen. Das wieder zu stopfen ist eine große Aufgabe für die nächste Bundesregierung.“

Einer AOK-Auflistung zufolge entstehen durch 15 in den vergangenen Jahren auf den Weg gebrachte Gesetze zwischen 2019 und 2022 Zusatzkosten für die Kassen in Höhe von fast 37 Milliarden Euro. Darunter ist etwa das „Pflege-Personalstärkungsgesetz“, das die Schaffung zusätzlicher Pflegestellen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen ermöglicht und das „Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege“, das etwa Funktionen bei der elektronischen Patientenakte, beim elektronischen Rezept und Möglichkeiten von Videosprechstunden ausweitet.

Spahn hatte beim Pflegetag am Mittwochvormittag mit Blick auf die erwartete Kostenschätzung am Abend und mögliche kritische Schlagzeilen gesagt: „Ja, wir waren teuer, weil wir zum Beispiel in Pflege investiert haben.“ Auf dem Pflegetag werde zu recht mehr Personal und bessere Bezahlung gefordert. Andere wiederum verwiesen darauf, dass die Kosten im Gesundheitssystem zu stark stiegen. „Das passt noch nicht so ganz zusammen.“ Die Debatte müsse in der Gesellschaft geführt werden.

© dpa-infocom, dpa:211013-99-586396/3

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