Berlin (dpa)
Laschet räumt Fehler ein - und wirbt für Jamaika
Die Union muss ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis verkraften - und setzt trotzdem darauf, mit Armin Laschet noch den Kanzler zu stellen. Doch in den hinteren Reihen wird auch Unmut laut.
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat nach dem historischen Wahldebakel persönliche Fehler eingeräumt und will die CDU erneuern. Zugleich bemüht sich der CDU-Chef um ein Bündnis mit FDP und Grünen.
Laschet berichtete am Montag, er habe bereits am Wahlsonntag mit FDP-Chef Christian Lindner ein erstes langes Gespräch über eine mögliche gemeinsame Regierungsbildung geführt. Am Montagnachmittag wollte Laschet mit Grünen-Chefin Annalena Baerbock sprechen. In der Union hofft man, dass bereits bis Ende der Woche erste Ergebnisse der vor offiziellen Sondierungen geplanten Vorberatungen von Grünen und FDP vorliegen.
Denkbar ist neben einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP auch ein Jamaika-Bündnis (benannt nach den Flaggenfarben des Landes: Schwarz, Grün, Gelb) der Union gemeinsam mit Grünen und FDP.
Laschet sprach am Montag von schmerzlichen Verlusten bei der Bundestagswahl. „Es hat nicht gereicht für Platz eins, das war unser Anspruch“, sagte er nach Beratungen der Spitzengremien in Berlin. Zwar habe die Union im Schlussspurt aufgeholt und Rot-Rot-Grün verhindert. Ein Ergebnis von unter 30 Prozent aber sei nicht der Anspruch der Union als Volkspartei: „Natürlich weiß ich auch, dass ich meinen persönlichen Anteil an diesem Wahlergebnis habe.“
Die Union hatte bei der Wahl ein Debakel erlitten, sie stürzte von 32,9 Prozent auf den historischen Tiefpunkt von 24,1 Prozent ab. Laschet hatte sich im Wahlkampf mehrfach Patzer geleistet. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen räumte er im CDU-Vorstand persönliche Fehler im Wahlkampf ein, auch organisatorische. Egal ob die CDU regiere oder nicht, müssten die Fehler aufgearbeitet werden.
Erste Rücktrittsforderungen
Doch brodelt es in der Partei: Zunehmend werden Forderungen nach personeller Erneuerung laut, bisher aber nicht von Schwergewichten. Erste Kritiker gingen hart mit Laschet ins Gericht. „Es sind Fehlentscheidungen in der Vergangenheit gewesen, inhaltlicher Art, in der Regierung und auch in der personellen Aufstellung“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zu den Ursachen des miesen Ergebnisses. Die Junge Union in seinem Land stellte sich gegen Laschet: „Wir brauchen einen echten Neuanfang. Dieser kann nur erfolgreich sein, wenn unser Bundesvorsitzender und Kanzlerkandidat, Armin Laschet, die Konsequenzen aus diesem Vertrauensverlust zieht und zurücktritt“, sagte der Vorsitzende Marcus Mündlein in Dresden.
Niedersachsens CDU-Vorsitzender Bernd Althusmann sagte: „Ich glaube, wir werden inhaltlich, organisatorisch und für die Zukunft vielleicht auch personell uns so aufstellen, dass wir Bundestagswahlen gewinnen können.“ Einzelne Landtags- und Bundestagsabgeordnete aus hinteren Reihen forderten Laschets Rücktritt.
Von den Unionsanhängern wünscht sich laut einer Umfrage rund die Hälfte einen solchen Schritt. Entsprechend antworteten 51 Prozent in der Erhebung des Civey-Instituts mit „auf jeden Fall“ oder „eher“. Die CDU Trier verlangte einen Bundesparteitag noch in diesem Jahr.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verteidigte Laschet. Seine Aufstellung als Kanzlerkandidat sei richtig gewesen, sagte er in Kiel.
Hessens Regierungschef Volker Bouffier hingegen verneinte einen Regierungsanspruch der Union. Es sei ein bitterer Tag gewesen. „Es war eine Niederlage“, sagte der CDU-Bundesvize am Montag in Hofheim am Taunus vor einer Sitzung des Landesausschusses zur Wahl. „Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung.“ Jetzt seien zuerst andere gefragt. Mit Blick auf scharfe Kritik am CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet warb Bouffier jedoch dafür, jetzt Disziplin zu wahren. Es wäre nicht klug, jetzt alles zu zerlegen.
Laschet: Keine Partei mit Regierungsauftrag
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigte eine „schonungslose Analyse“ des Wahlergebnisses an: „Die Verluste sind bitter und sie tun weh.“ Besonders schmerze das Abscheiden im Osten, dort seien viele Mandate verloren worden.
Laschet machte zugleich deutlich, dass er volle Rückendeckung von Vorstand und Präsidium seiner Partei für Gesprächen über eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen habe. Aus dem Wahlergebnis könne keine Partei für sich einen Regierungsauftrag ableiten - die Union nicht, die SPD aber auch nicht. Die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz verbesserte sich von 20,5 Prozent auf 25,7 Prozent und wurde damit stärkste Kraft.
Kanzler werde derjenige, der eine Mehrheit im Bundestag hinter sich habe, sagte Laschet. Dies sei ein Moment, in dem Volksparteien mit dem Anspruch von Wahlergebnissen um die 30 Prozent mit Demut vor den Wähler treten müssten. „Olaf Scholz und ich sind, finde ich, zur gleichen Demut aufgerufen.“ Mit 25 Prozent könne man nicht den Anspruch haben: „Ich bin der nächste Kanzler, und jetzt müssen wir mal gerade gucken, wie wir die anderen mit dazu kriegen.“
Laschet sagte, ein Jamaika-Bündnis könne zu einer „gesellschaftlichen Breite“ beitragen. Deutschland müsse modernisiert werden und brauche eine „Koalition für mehr Nachhaltigkeit“. Mit der FDP teile die Union etwa das Anliegen wirtschaftlichen Wachstums, mit den Grünen das Engagement für den Wandel zu einem klimaneutralen Industrieland.
Manöver um den Fraktionsvorsitz?
Unterdessen gibt es vor der an diesem Dienstag anstehenden Wahl des neuen Fraktionschefs im Bundestag angesichts der offenen Regierungsbildung Streit über die Dauer von dessen Amtszeit. Laschet sagte, er habe vorgeschlagen, dass der bisherige Vorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) „in der Phase dieser Koalitionsverhandlungen“ Fraktionschef sein solle. Normalerweise wird der Fraktionschef nach einer Bundestagswahl zunächst für ein Jahr gewählt - dann ist eine nochmalige Wahl bis zum Ende der Legislaturperiode vorgesehen. Dies ist so in der „Vereinbarung über die Fortführung der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU“ für die zu Ende gehende Wahlperiode vorgesehen.
Über den Vorschlag von Laschet hatte es in den Gremiensitzungen nach Informationen der „Welt“ und der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen eine Auseinandersetzung gegeben, da sich Brinkhaus wie üblich für ein Jahr zur Wahl stellen lassen will. Für diesen Fall sei denkbar, dass es zu einer Kampfkandidatur komme, hieß es von Mitgliedern der Parteispitze. Als mögliche Gegenkandidaten wurden unter anderen Gesundheitsminister Jens Spahn oder der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz genannt. In der neuen CDU/CSU-Fraktion sitzen 196 Abgeordnete - statt 246 wie noch in der vergangenen Legislaturperiode.
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