Kommunalwahl 2021

Politiker aus Jemgum müssen Stellung vor Wahl beziehen

| 26.08.2021 10:36 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 8 Minuten
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In der Gemeinde Jemgum wird im September ein neuer Gemeinderat gewählt. Foto: Gettkowski/Archiv
In der Gemeinde Jemgum wird im September ein neuer Gemeinderat gewählt. Foto: Gettkowski/Archiv
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In Niedersachsens Kommunen wird gewählt. Doch was ist in Ostfriesland wichtig? Diese Zeitung hat sich bei Parteien, Wählergemeinschaften und Einzelbewerbern umgehört. Hier sind die Antworten aus Jemgum.

Landkreis Leer - Die Kommunalwahl ist alle fünf Jahre ein besonderes Ereignis. Keine andere Abstimmung ist so entscheidend für die Entwicklung der Gemeinden und Städte wie diese. Denn nirgendwo sonst wird so direkt entschieden, was vor der eigenen Haustür kurz-, mittel- oder langfristig passiert. Ratsherren und -frauen sind oft Nachbarn, Arbeitskollegen oder Vereinsfreunde.

Am 12. September werden in ganz Niedersachsen wieder neue Räte für Städte, Samtgemeinden und Gemeinden gewählt. Hinzu kommen in vielen Kommunen auch die Wahlen der Verwaltungschefs. Auch im Landkreis Leer werden die Bürgerinnen und Bürger von Borkum bis Ostrhauderfehn, von Bunde bis Uplengen an diesem Tag an die Wahlurne gebeten. Die neuen Gemeinde- und Stadträte entscheiden dann unter anderem über künftige Baugebiete, Kita-Neubauten oder Windkraftstandorte.

Damit die Leserinnen und Leser erfahren, für welche Positionen die Parteien und Wählergemeinschaften in ihren jeweiligen Gemeinden und Städten stehen, hat diese Zeitung eine Umfrage gestartet. Vier Fragen, die der Redaktion für die jeweilige Kommune im Landkreis Leer am wichtigsten erschien, sollten die Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber beantworten. Dafür hatten sie jeweils rund 500 Zeichen Platz.

Die Antworten der Bewerber werden nun bis zur Wahl am 12. September Kommune für Kommune gebündelt und von dieser Zeitung veröffentlicht. Dieses Mal ist die Gemeinde Jemgum an der Reihe.

Neubau oder Sanierung – Was ist die Zukunft des Rathauses in Jemgum?

SPD: Nach den aktuellen Gutachten besteht Handlungsbedarf. Es ist davon auszugehen, dass eine Sanierung des Gebäudes wahrscheinlich so teuer wie ein Neubau wäre. Somit sollte der neu gewählte Gemeinderat überlegen, wie und in welcher Größe ein Neubau realisiert werden kann. In diese Überlegungen ist auch ein Saalbetrieb einzubeziehen.

CDU: Die Begutachtung des Rathauses und des Gemeinschaftshauses haben große bauliche Mängel aufgezeigt. Es ist nun zu prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, das Gebäude umfangreich zu sanieren oder einen Neubau am jetzigen Standort zu erstellen. Förderprogramme und spätere Kosteneinsparungen in der Unterhaltung sind hier zu berücksichtigen.

FDP: Eine Sanierung kostet in der Regel mindestens so viel wie ein Neubau, darum sind wir für einen Neubau des Rathauses.

Die Linke: Ich befürworte eine Sanierung des bestehenden Rathauses, da unter anderem das Gelände an der alten Ziegelei anderweitig genutzt, mehr Gewinn für die Gemeinde und deren Bürger:innen bringt.

Jemgum 21: Fakt ist: Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung benötigen wir sichere, gesunde und moderne Arbeitsplätze. Es besteht also Handlungsbedarf. Wir brauchen aber kein protziges Rathaus, sondern ein zweckmäßiges Verwaltungsgebäude. Nach bisher vorliegenden Zahlen ist die Sanierung des alten Rathauses günstiger als ein Neubau. Wir können es uns nicht leisten, mehr Geld auszugeben als nötig. Traurig ist, dass über Jahrzehnte fast nichts getan worden ist, das Gebäude instand zu halten.

Gottwald Gruppe: Für uns kommt ein Neubau in Frage. Wir denken, dass das marode Rathaus ein „Fass ohne Boden“ sein könnte. Der Ortseingang von Jemgum verdient ein schönes Rathaus, aber es muss bezahlbar sein. Gemeinsam möchten wir an einer Lösung arbeiten, die tragbar ist, sei es ein Eigenbau, Investorensuche oder ein Ausweichgebäude. Zurzeit sind Baukosten sehr hoch. Deshalb sollte man schauen, wie lange das derzeitige Gebäude noch nutzbar ist.

Welche Ideen gibt es für die Ziegelei Reins?

SPD: Finanzielle Fördermöglichkeiten müssen, trotz bisheriger Ablehnung, weiter geprüft und beantragt werden. Weiterhin sind Gespräche mit evtl. Investoren zu führen. Sollte dies in absehbarer Zeit keinen Erfolg haben, ist zu überlegen, ob die Gemeinde das Gelände selber kauft, um es dann zu vermarkten bzw. selber zu nutzen. Als Beispiel: Neubau eines Rathauses.

CDU: Für die zukünftige Entwicklung des Ortes Jemgum hat dieses Gelände eine Schlüsselfunktion und bietet verschiedene Möglichkeiten, die Entwicklung der Gemeinde voranzubringen. Durch gezielte Werbung soll Investoren der Charme und das Potenzial von Jemgum mit dem Hafen, dem Sieltief und dem charakteristischen Ortskern aufgezeigt werden. Jemgum hat gute Voraussetzungen für eine positive touristische Entwicklung und ist als Wohnort lebenswert.

FDP: Die Umsetzung des vorhandenen Konzepts wäre ein notwendiger und wichtiger Entwicklungsschritt für den Ort Jemgum.

Die Linke: Dieses Gelände könnte für eine von der Gemeinde wirtschaftlich betriebene Freizeitanlage inkl. Schwimmbad genutzt werden, welche von den Bürger:innen der Gemeinde und von Tourist:innen genutzt werden könnte. Was auch den Tourismus stärken würde.

Jemgum 21: Hier sollte ein Modell für zukunftsweisendes dörfliches Leben entstehen. Dazu gehören seniorengerechte und auch soziale Wohneinheiten – für ältere Menschen, für Singles, Alleinerziehende, aber auch für ganz junge Familien, vor allem für Menschen aus der Region. In der Deichschutzzone (rund ein Viertel des Geländes) wären neben Spiel-/Freizeitflächen auch mobile Sommerunterkünfte für Radtouristen denkbar, ggf. auch Flächen für Wohnmobile oder Kurzzeitcamper. Für ein Rathaus ist hier kein Platz.

Gottwald Gruppe: Da gibt es schon ein paar: ein Familienzentrum wie die Gemeinde Bunde eines geschaffen hat, Mehrgenerationenhäuser, Grünanlagen oder auch ein Erlebniszentrum mit Bezug auf Deichbau, Sturmfluten, Leben am Deich, Vereinbarkeit von Industrie und Natur.

Wie soll es mit dem Tourismus in Ditzum weitergehen?

SPD: In Ditzum sollten in den nächsten Jahren nur leichte Anpassungen, wie z. B. Verkehrsführung und Infrastruktur, vorgenommen werden. Schwerpunktmäßig sind in anderen Ortsteilen Planungen weiterzuentwickeln: in erster Linie der Bereich um den Badesee Holtgaste und das Ziegeleigelände in Jemgum.

CDU: Ditzum ist das touristische Highlight im Landkreis Leer und somit auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Der neue Parkplatz am Ortseingang hat sich positiv auf die Verkehrssituation im Ortskern ausgewirkt, allerdings müssen hier weitere Maßnahmen dafür sorgen, dass der Verkehr im Ortskern minimiert wird. So könnte ein digitaler Hinweis auf die Auslastung in Ditzum den Verkehr durch die Ortschaften der Gemeinde Jemgum mindern. Der Wohnmobilplatz ist zu modernisieren und moderat zu erweitern.

FDP: In Ditzum sind wir auf einem guten Weg mit dem Parkplatz und vergrößerten Wohnmobilstellplatz. Nun muss auch für Jemgum etwas getan werden.

Die Linke: Der Tourismus muss attraktiver werden: mehr Angebote vonseiten der Gemeinde durch zu gründende kommunale Tourismus-Betriebe, bspw. ein kommunal betriebener E-Bike-Verleih und Vieles mehr – das macht nicht nur den Tourismus attraktiver, sondern schafft auch neue Arbeitsplätze.

Jemgum 21: Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsbereich für die Gemeinde. Allerdings zeigen viele Rückmeldungen von Ditzumern, dass die Grenze bald erreicht ist. Ein „zweites Greetsiel“ ist nicht erwünscht, das Dorf muss in seiner Ursprünglichkeit erkennbar bleiben. Deshalb setzen wir auf Qualität, nicht auf Masse. Der Beitritt der Gemeinde zur Entwicklungszone des Weltnaturerbes Wattenmeer bietet enorme Chancen für den sanften, naturnahen Tourismus: ein Zukunftsmarkt, der hervorragend zu uns passt.

Gottwald Gruppe: Viele Menschen zieht es nach Ditzum, allerdings gibt es auch in den anderen Ortschaften Tourismus. Gerade nach dem Pandemiejahr 2020 sieht man vermehrt Urlauber zu Rad oder im Auto, die die Weite und den Raum unserer schönen Ortschaften genießen. Die Gemeinde Jemgum bietet hier die idealen Voraussetzungen. Ditzum ist gerade an den Wochenenden sehr voll. Vielleicht gibt es dort durch eine Art Ampelsystem, eine Möglichkeit das Ganze zu entzerren.

Wo liegen Möglichkeiten, die Finanzen der Gemeinde zu verbessern?

SPD: Die Möglichkeiten, weitere Einsparungen zu realisieren, sind begrenzt. Dennoch können Investitionen nicht völlig unterbleiben. Das Gewerbegebiet in Holtgaste ist zu erweitern und neue Gebiete für die Ansiedlung von Firmen sind zu erschließen.

CDU: Die Gemeinde bleibt durch ihre ländliche und großflächige Struktur im Finanzausgleich benachteiligt. Durch zukunftsweisende Förderprogramme wie „ Jung kauft Alt“, sinnvolle energieeinsparende Investitionen und Kosteneinsparungen vor allem im Abwasserbereich, können Verbesserungen erreicht werden. Die Einnahmen aus dem Tourismus werden nach der Pandemie den Haushalt entlasten. Ein ausgeglichener Haushalt scheint allerdings zukünftig nur mit Hilfe des Landes erreichbar.

FDP: Die Energiekonzerne müssen dort steuerpflichtig werden, wo sie ihre Einnahmen erzielen wie ursprünglich gehabt.

Die Linke: Durch kommunale Betriebe im Tourismus-Bereich – die Einnahmen aus dem Tourismus selbst abschöpfen – was allen Bürger:innen zu Gute kommt. Es gibt auch die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Beteiligung der Gemeinde bei evtl. größeren Projekten. Die Gemeinde kann sich nicht aus der Finanzkrise – insbesondere nicht nach der Pandemie – heraussparen. Die Kommunen benötigen zur auskömmlichen Finanzierung die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Jemgum 21: Wir müssen und wir können sparsamer mit Geld umgehen. Unsere Vorschläge dazu wurden leider oft abgelehnt. Wir fordern eine solide Haushaltspolitik. Wachsende Schulden gehen zulasten künftiger Generationen (außer: Investitionen für Infrastruktur). Bei Einnahmen sind die Spielräume eng. Um mehr Gewerbesteuern zu erzielen, müssten sich Firmen ansiedeln. Wir hatten vor zwei Jahren eine Stelle für Wirtschaftsförderung beantragt. Das wurde zuerst abgelehnt, soll jetzt aber doch realisiert werden.

Gottwald Gruppe: In diesem Falle sollten wir schauen, wie sich der Finanzhaushalt zusammensetzt, welche Einnahmen und Ausgaben es gibt. Das zu durchleuchten, ergibt sicherlich an der ein oder anderen Stelle die Möglichkeit, Einsparungen zu tätigen oder neue Unterstützungen durch Bund und Länder zu bekommen. Dazu müssen aber alle an einem Strang ziehen. Eine weitere Belastung der Einwohner durch Steuererhöhungen ist aber nicht tragbar.

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