Washington (dpa)

Der „Shutdown“ droht: Entscheidungswoche im US-Kongress

| 28.09.2021 03:53 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
Der Himmel leuchtet bei Morgendämmerung blau über dem Kapitol. (Archivbild). Foto: J. Scott Applewhite/AP/dpa
Der Himmel leuchtet bei Morgendämmerung blau über dem Kapitol. (Archivbild). Foto: J. Scott Applewhite/AP/dpa
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Im US-Kongress ist eine entscheidende Woche angebrochen. Präsident Biden kämpft gegen einen „Shutdown“ und gegen ein Scheitern seiner großen Prestigeprojekte.

In den USA rückt die Gefahr eines teilweisen Stillstands der Regierungsgeschäfte ab Ende der Woche näher.

Die Republikaner blockierten am Montagabend (Ortszeit) bei einem formalen Votum im US-Senat eine Vorlage, mit der Finanzierung der Regierung über das Ende des Haushaltsjahres an diesem Donnerstag hinaus vorerst gesichert werden sollte. Das neue Haushaltsjahr startet zum 1. Oktober, also an diesem Freitag. Ist bis dahin kein Budgetreglung beschlossen, kommt es zu einem „Shutdown“ von Teilen der Regierung. US-Präsident Joe Biden will das unbedingt vermeiden. Es droht aber noch größeres Ungemach: ein potenzieller Zahlungsausfall der Regierung im Oktober. Außerdem kämpft Biden um die Durchsetzung zweier gewaltiger Investitionspakete - auch hier dürfte diese Woche über Erfolg oder Misserfolg des Präsidenten entscheiden.

„Shutdowns“ von Teilen der Regierung kommen in den USA öfter vor. Das heißt, Staatsbedienstete müssten zum Teil zwangsbeurlaubt werden oder vorübergehend ohne Bezahlung arbeiten. Je nach Länge könnten bestimmte Behördendienste eingeschränkt oder Zahlungen verzögert werden. In der Vergangenheit dauerten solche „Shutdowns“ mal nur wenige Tage oder Stunden, womit sich die Folgen in Grenzen halten - oder aber Wochen, was zu größeren Verwerfungen führen kann.

Das Repräsentantenhaus hatte die Regelung zur vorübergehenden Finanzierung der Regierung in der vergangenen Woche mit den Stimmen der Demokraten beschlossen. Im Senat sperrten sich die Republikaner aber dagegen. Sie monierten, dass in der Vorlage auch vorgesehen war, die Schuldenobergrenze vorerst auszusetzen - was sie ablehnen.

Ohne eine Anhebung der Schuldenobergrenze durch den Kongress droht der US-Regierung laut Finanzministerin Janet Yellen im Oktober der Zahlungsausfall. In einem Brief an die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nannte Yellen dafür das Datum 18. Oktober und schrieb: „Wir schätzen nun, dass das Finanzministerium seine außerordentlichen Maßnahmen wahrscheinlich ausschöpfen wird, wenn der Kongress bis zum 18. Oktober keine Maßnahmen zur Anhebung oder Aussetzung der Schuldengrenze ergriffen hat. Wir gehen davon aus, dass dem Finanzministerium dann nur noch sehr begrenzte Mittel zur Verfügung stehen würden, die schnell aufgebraucht wären.“

Yellen schrieb, es sei ungewiss, ob die USA nach dem Datum weiter allen Verpflichtungen nachkommen könnten. Sie warnte, dass ein Abwarten bis zur letzten Minute das Vertrauen der Wirtschaft und der Verbraucher ernsthaft schädigen und die Kreditwürdigkeit der USA auf Jahre hinaus negativ beeinflussen könnte.

Auch bei einer Anhörung im US-Senat mahnte Yellen am Dienstag eindringlich: „Amerika würde zum ersten Mal in der Geschichte zahlungsunfähig werden.“ Die Folge wäre vermutlich „eine finanzielle Krise und eine wirtschaftliche Rezession“. Eine Katastrophe für die US-Wirtschaft müsse dringend abgewendet werden. Yellen sagte, die Schuldenobergrenze sei seit 1960 78 Mal angehoben oder ausgesetzt worden, fast immer mit Unterstützung beider Parteien.

Die führenden Demokraten im Senat und im Repräsentantenhaus, Chuck Schumer und Pelosi, warfen den Republikanern vor, ihre Blockade sei averantwortungslos. Schumer kündigte für die Woche „weitere Schritte“ an, um die Schuldenobergrenze anzuheben. Konkreter wurde er nicht.

Außerdem kämpft Biden momentan darum, zwei zentrale Vorhaben seiner Amtszeit im Kongress durchzusetzen: ein groß angelegtes Paket für Investitionen in die Infrastruktur des Landes und ein zweites gewaltiges Paket mit Investitionen für Soziales. Beide Vorhaben wackeln angesichts internen Diskussionen bei den Demokraten noch. Auch dazu werden in der laufenden Woche Entscheidungen erwartet.

Laut Pelosi soll das Repräsentantenhaus am Donnerstag über das Infrastrukturpaket abstimmen. Das Paket, mit dem Straßen, Brücken sowie andere Verkehrs- und Energienetze in den USA modernisiert werden sollen, hatte im August nach langen Verhandlungen den Senat passiert - mit Unterstützung von Republikanern. Das finale Votum der anderen Kongresskammer fehlt noch. Vorgesehen sind über die nächsten Jahre verteilt rund 550 Milliarden US-Dollar neuer Investitionen in die Infrastruktur. Insgesamt, inklusive schon vorher veranschlagter Mittel, hat das Paket einen Umfang von mehr als einer Billion Dollar.

Das zweite Paket sieht einen deutlichen Ausbau der Sozialleistungen vor. Biden will etwa mehr in Bildung und Kinderbetreuung investieren, Familien stärker unterstützen und sie steuerlich entlasten sowie Geld für den Kampf gegen die Klimakrise in die Hand nehmen. Dieses Paket hat einen Umfang von 3,5 Billionen Dollar, ebenso verteilt über mehrere Jahre. Finanziert werden soll es durch Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und das konsequentere Eintreiben fälliger Abgaben.

Angesichts des Widerstandes der Republikaner wollen die Demokraten das zweite Paket mit einem parlamentarischen Sonderverfahren aus eigener Kraft durch den Kongress bringen. Sie haben in beiden Kammern aber nur knappe Mehrheiten, und auch bei ihnen sind die Pläne umstritten. Einige moderate Demokraten sehen die hohen Ausgaben kritisch, während sich einige progressive Demokraten mehr gewünscht hätten. Letztere drohten damit, das Infrastrukturpaket zu blockieren, sofern nicht auch das größere zweite Paket gesichert sei. So laufen intensive Verhandlungen, um Mehrheiten für beides zu organisieren.

© dpa-infocom, dpa:210928-99-388866/6

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