Diebstahl in Museen Wenn Objekte aus Museen verschwinden

Petra Herterich
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Von Petra Herterich
| 21.08.2023 17:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Museumsleiterin Celia Brandenburger vor dem Teekannen-Mobile im Bünting Teemuseum in Leer – die Kannen sind noch vollzählig, hier fehlt nichts. Foto: Hoppe/Archiv
Museumsleiterin Celia Brandenburger vor dem Teekannen-Mobile im Bünting Teemuseum in Leer – die Kannen sind noch vollzählig, hier fehlt nichts. Foto: Hoppe/Archiv
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Im British Museum in London fehlen zahlreiche historische Stücke. Wie sieht es in Ostfrieslands Museen aus? Fehlt hier auch was? Wie steht es überhaupt um die Sicherheit in den Museen?

London - Eine der bedeutendsten Kultureinrichtungen Großbritanniens musste mit einer schlechten Nachricht an die Öffentlichkeit gehen: Mehrere historische Objekte sind im British Museum verschwunden. Genannt wurden Goldschmuck sowie Juwelen aus Halbedelsteinen und auch Glas. Teilweise so alt, dass die Stücke bis ins 15. Jahrhundert vor Christus zurückreichen.

Das Museum in London, das jährlich Millionen Menschen besuchen, verwahrt bedeutende Kulturschätze der Menschheit. Und die Sammlung ist gewaltig. Das Museum will nun seine Sicherheitsvorkehrungen überprüfen lassen. Das Thema Sicherheit ist auch für Museen in Ostfriesland wichtig – egal, ob es sich um kleinere Häuser für Heimatkunde oder die Kunsthalle handelt.

Wo sind die verlorenen Kunstschätze?

Welche Objekte genau weg sind – und wie viele –, hat das Museum bisher nicht bekanntgegeben. „Die Mehrzahl der betroffenen Gegenstände waren kleine Stücke, die in einem Lagerraum einer der Sammlungen des Museums aufbewahrt wurden“, teilte das Museum mit. Und sprach in seiner Mitteilung vorsichtig von Gegenständen, die „fehlen, gestohlen oder beschädigt“ worden seien.

Keines der Objekte sei in letzter Zeit in der Ausstellung gewesen, sie seien vorrangig für Forschungszwecke aufbewahrt worden. Ein Bericht der Zeitung „The Telegraph“ bringt die Vermutung auf: Wurden einige der Artefakte bereits vor Jahren auf Ebay angeboten? Das Museum entließ jedenfalls einen Mitarbeiter und kündigte an, gegen die Person rechtlich vorgehen zu wollen. Nach Angaben britischer Medien soll es sich um einen Kurator handeln, der lange für das Museum arbeitete. Die britische Zeitung „The Times“ zitierte dessen Sohn mit den Worten, sein Vater sei unschuldig. Die Londoner Polizei ermittelt und hat bisher niemanden festgenommen.

Eine Außenansicht des British Museum: Das Museum in London verwahrt bedeutende Kulturschätze der Menschheit. Foto: Valcic/ZUMA Press Wire/dpa
Eine Außenansicht des British Museum: Das Museum in London verwahrt bedeutende Kulturschätze der Menschheit. Foto: Valcic/ZUMA Press Wire/dpa

Welche Kritik gibt es an den Sicherheitsvorkehrungen?

Direktor Hartwig Fischer, der erste Deutsche an der Spitze des British Museum, beteuert: „Das ist ein höchst ungewöhnlicher Vorfall.“ Er spreche im Namen aller Kollegen, wenn er sage, dass sie den Schutz der Gegenstände sehr ernst nähmen. Seit Bekanntwerden des Falls steht allerdings die Frage im Raum, wie gut manche Objekte geschützt sind. Manche sprechen von einem peinlichen Fall.

Der Jurist Christopher Marinello, der sich etwa mit der Wiederbeschaffung von Raubkunst beschäftigt, sagte der Nachrichtenagentur PA: „Es reicht nicht, Kameras an den Wänden zu haben. Man muss seine Mitarbeiter ordentlich überprüfen.“ Es müsse auch die Pflicht geben, genau zu erfassen, wann jemand anfange, ein Objekt zu untersuchen, und wann er dann wieder aufhöre.

Dass bisher keine Bilder veröffentlicht wurden und keine detaillierte Liste, lässt manche spekulieren, ob das Ausmaß vielleicht noch nicht klar ist, oder ob die Polizei einen Einsatz plant oder andere ermittlungstaktische Gründe hat.

George Osborne, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Museums, hatte am Mittwoch mitgeteilt, das Gremium sei äußerst besorgt gewesen, als es „früher im Jahr“ erfahren habe, dass Gegenstände aus der Sammlung gestohlen worden seien. Wichtig seien nun drei Dinge: Die gestohlenen Gegenstände wiederzubekommen; herauszufinden, wie man den Fall – falls überhaupt – hätte verhindern können; und alles Nötige zu tun, um sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passiere.

Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ vom Berliner Bode-Museum ist seit März 2017 verschwunden. Foto: Mettelsiefen/dpa
Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ vom Berliner Bode-Museum ist seit März 2017 verschwunden. Foto: Mettelsiefen/dpa

Wie reagieren deutsche Museen auf den Londoner Fall?

Die Vorkommnisse werden auch in deutschen Ausstellungshäusern beobachtet. Beim Deutschen Museumsbund sollen sie in einem Arbeitskreis besprochen werden, wie Remigiusz Plath vom Arbeitskreis Gebäudemanagement und Sicherheit sagte. Plath, auch bei der Hasso Plattner Foundation in Potsdam für Sicherheitsfragen zuständig, empfiehlt, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in gehobenen Positionen beim Zugang zu Kunstwerken zu reglementieren. „Das bedeutet konkret, dass diese Personen nie alleine ins Depot gehen und immer begleitet werden müssen von Leuten, die nicht dieselbe Position haben, sondern aus einem ganz anderen Bereich kommen.“ Es müsse ein Vier- oder Sechs-Augen-Prinzip geben. Eine Rolle spielt auch die Größe der Museen. „Häuser wie das Britische Museum, die eine riesige Sammlung haben, die haben natürlich die Herausforderung, dass die meisten Artefakte und Kunstwerke sowieso nicht ausgestellt werden“, sagte Plath der Deutschen Presse-Agentur. „Die Depots sind Hunderte Male größer als die Zahl der ausgestellten Stücke. Da hat niemand einen täglichen Überblick.“

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die in Berlin die Museumsinsel verwaltet, will sich den Londoner Fall ebenfalls ansehen. Mit der „Taskforce Risikomanagement“ werde der Fall jetzt ausgewertet und das Prozedere der Risikominimierung gegebenenfalls angepasst, sagte ein Sprecher. Aus den vergangenen Jahrzehnten sei dort kein Fall von Objektdiebstahl durch Mitarbeiter bekannt.

Tatsächlich wird eher selten berichtet, dass Gegenstände aus Museen verschwinden. In Deutschland machten zuletzt vor allem zwei Einbrüche Schlagzeilen: der Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden und der Raub einer Goldmünze im Berliner Bode-Museum. Die Nachrichtenagentur PA listete einige Fälle am British Museum aus der Geschichte auf. Darunter war ein Cartier-Diamantring – angeblich 750.000 Pfund (rund 876.580 Euro) wert.

Wie ist die Situation in ostfriesischen Museen?

Bei der Kunsthalle in Emden gibt man sich bei Fragen zum Thema Sicherheit zugeknöpft. „Über unsere Sicherheitsmaßnahen sprechen wir nicht öffentlich“, sagt Pressesprecherin Ilka Erdwiens. Man arbeite aber nach internationalen Standards. Zudem habe man nur 1800 Objekte im Haus – „Ich würde sagen, ich kenne jedes einzelne“, so Erdwiens – und nicht rund acht Millionen Stücke, wie es beim Britischen Museum der Fall sei. In der Kunsthalle seien auch nur dort angestellte Mitarbeiter tätig, von denen man sich „natürlich ein Bild mache“.

Auf Vertrauen setzt man auch beim Bünting Teemuseum in Leer, zudem ist jeder Raum mit einer Kamera ausgestattet. „Wir haben auch sehr ehrliche Besucher“, freut sich Leiterin Celia Brandenburger. „Lediglich einmal ist ein Klobürstenhalter von der Toilette geklaut worden. Den fand wohl jemand schick.“ Und ab und an komme auch mal ein Teebeutel weg – mehr aber nicht.

Im Ostfriesischen Teemuseum in Norden setzt man auf ein Sicherheitskonzept mit den neuesten technischen Standards. „Unsere Mitarbeiter, auch die ehrenamtlichen, sind alle besonders geschult worden“, betont Leiterin Mirjana Culibrk. Abgesehen davon sei das Miteinander natürlich auch „eine Vertrauensfrage“.

Das sieht man auch im Ostfriesischen Landesmuseum in Emden so: „Zunächst einmal ist zu unterstreichen, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vertrauen“, teilt Pressesprecher Diethelm Kranz mit. Diese „identifizieren sich sehr mit dem Ostfriesischen Landesmuseum Emden und mit dessen Aufgaben. Dazu gehört auch das Bewahren. Sie arbeiten teilweise seit Jahrzehnten im Sinne unseres kulturellen Erbes“.

Auch Kranz weist daraufhin, dass das British Museum Millionen Objekte habe. „Allein die Fach-Bibliotheken des Museums umfassen mehr als 350.000 Bände. Bei diesen Zahlen und den mit ihnen verbundenen Aufgaben ist zu verstehen, dass komplette Inventuren – insbesondere in einem engen zeitlichen Takt – in größeren Museen schwer zu realisieren sind.“

Mit Material von DPA

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