Klassik-Festival in Ostfriesland „Wir haben einen absoluten Rekord beim Ticketverkauf erzielt“

| | 07.08.2023 17:06 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Plant seit elf Jahren die Gezeitenkonzerte: der Pianist Matthias Kirschnereit. Foto: Helbig
Plant seit elf Jahren die Gezeitenkonzerte: der Pianist Matthias Kirschnereit. Foto: Helbig
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Der Künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte, Matthias Kirschnereit, schaut freudestrahlend auf das Klassik-Festival zurück – und er gibt einen Ausblick auf die kommende Saison.

Leer - Der letzte Ton ist verklungen – am Sonntag endeten die Gezeitenkonzerte. Das Schlusskonzert auf dem Polderhof im Rheiderland war „ein rauschendes, spektakuläres Erlebnis“, schwärmt der künstlerische Leiter des Klassik-Festivals, Matthias Kirschnereit, am Morgen danach. Im Interview zieht er Bilanz und wirft auch einen Blick in die Konzertsaison 2024.

Das Motto der Gezeitenkonzerte lautete in diesem Jahr „Neues entdecken“. Was gab es zu entdecken?

Kirschnereit: Wir hatten eine Welt-Premiere mit dem Konzert mit drei Flügeln und zwei Schlagzeugern. Das war „Neues entdecken“ pur in der Martin-Luther-Kirche Emden. Es gab zudem drei Welt-Uraufführungen sowie bei unserem Abschlusskonzert eine europäische Erstaufführung: Das fünfte Klavierkonzert von Nikolai Kapustin – einem Komponisten ukrainisch-russisch-jüdischer Abstammung – ist bisher öffentlich nur in Japan gespielt worden. Aber „Neues entdecken“ bedeutet auch, den Mut zu haben, Ausflüge in andere Genres zu machen, zum Beispiel mit Kabarettist Christian Ehring oder Musiker Helge Schneider. Außerdem gab es ganz wunderbare „Gipfelstürmer“. Zu entdecken gab es auch neuartige Formate wie das Piano Panorama oder ungewöhnliche Spielstätten wie etwa das Konzert von Canadian Brass auf einem Ponton im Leeraner Hafen.

Wie waren die Konzerte insgesamt besucht?

Kirschnereit: Ich kann die frohe Kunde vermelden, dass wir in diesem Jahr den absoluten Rekordverkauf von 13.432 Tickets erzielt haben. Wir starteten 2012 mit den Gezeitenkonzerten, und es wurden erfreulicherweise in jedem Jahr mehr und mehr Karten verkauft. 2019 hatten wir die Zahl von knapp 13.000 bereits erreicht. Dann kam Corona, danach erlebten wir eine leichte Delle. In dieser Saison waren alle 39 Konzerte wirklich sehr, sehr gut besucht. Das Schlusskonzert zum Beispiel war mit 1500 Besuchern restlos ausverkauft. Und es gab noch viele weitere Nachfragen nach Tickets. Ich bin sehr dankbar für die Zustimmung von allen Seiten – es war eine Welle des Glücks, die uns Künstler auch erfasst hat.

Die Gezeitenkonzerte gingen dieses Mal über einen langen Zeitraum, mit einer kleiner Atempause zwischen drin. Warum hat man das Festival so gestreckt?

Kirschnereit: Ich sage immer, wir haben das „beste Organisationsteam Nordeuropas“! Wir sind allerdings eine sehr kleine Mannschaft. Jeder agiert mit viel Herzblut und wir hatten gerade am Beginn des Festivals sehr viele Konzerte hintereinander – darunter Großveranstaltungen wie etwa das Konzert von Helge Schneider, tags drauf das NDR Vokalensemble – durchaus eine Herausforderung für das Team. Einige haben Kinder, und in den Sommermonaten möchte man ja eigentlich mit der Familie auch mal ausspannen. Deshalb haben wir bewusst einen Zeitraum von zehn Tagen gesetzt, in dem jeder so ein bisschen durchatmen kann.

Wird es nächstes Jahr auch wieder eine solche Atempause geben?

Kirschnereit: Nein, nächstes Jahr zollen wir den Sommerferien Tribut. Die Gezeitenkonzerte starten dann am Pfingst-Wochenende und enden am 14. Juli – also etwa in der Mitte der Ferien. Das sind wieder zwei Monate, auch die Anzahl der Konzerte bleibt gleich. Ich freue mich schon gigantisch aufs kommende Jahr. Wir beginnen jetzt mit der Planung. Etliche Stars, wie zum Beispiel die klassischen Geiger Daniel Hope und Ragnhild Hemsing, Pianist Fazil Say und Tenor Julian Prégardien, haben schon zugesagt.

Verzichten Sie mit diesem Zeitplan nicht auf Touristen, die in den Ferien auch gerne das Klassik-Festival besuchen?

Kirschnereit: Ich weiß, dass viele Menschen ihren Urlaub so legen, dass sie unsere Gezeitenkonzerte besuchen können. Das wird mit Sicherheit auch in Zukunft so sein. Unser Publikum kommt durchaus von weit her, aber der Stamm, der kommt aus der Region! Unser Freundeskreis hat inzwischen schon 860 Mitglieder, eine unvorstellbare Zahl. Die Menschen in der Region identifizieren sich sehr mit den Gezeitenkonzerten.

Bleiben Sie auch bei den Ticketpreisen oder muss man mit einer Erhöhung rechen?

Kirschnereit: Nein, das haben wir nicht geplant. Unsere Preise sind extrem moderat. Bei anderen Klassik-Festivals sind die sehr viel höher. Wir werden auch weiter nicht-kontingentierte Karten für 5 Euro an Schüler, Studenten oder Bedürftige abgeben – egal, wer gerade auftritt. Natürlich merken wir stark, dass in der Logistik, bei den Zulieferern und Dienstleistern die Preise gestiegen sind. Aber wir haben das alles wunderbar abgefedert, auch dank der enormen Ticket-Verkäufe.

Was ist für Sie schöner – selber bei den Gezeitenkonzerten zu spielen oder als Zuhörer dabei zu sein?

Kirschnereit: Wenn ich selber spiele, freue ich mich immer besonders auf die Konzerte in Ostfriesland. Hier ist so ein grandioses Publikum, das mit einer solchen Aufmerksamkeit die Konzerte verfolgt und enthusiastisch und spontan reagiert. Das reißt einen auch als Musiker mit. Wenn ich als Besucher Konzerte höre und sehe und erlebe, wie beseelt auch die Künstler von der Begeisterung des Publikums sind, genieße ich das sehr und bin wirklich sehr, sehr happy.

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