Fachkräftemangel in Ostfriesland Die Lage in der Gastronomie ist „ziemlich dramatisch“

Petra Herterich
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Von Petra Herterich
| 21.07.2023 19:47 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Ein Kellner räumt einen Tisch in einem Restaurant ab. Bundesweit fehlen 65.000 Mitarbeiter in der Gastronomie. Foto: Gollnow/dpa
Ein Kellner räumt einen Tisch in einem Restaurant ab. Bundesweit fehlen 65.000 Mitarbeiter in der Gastronomie. Foto: Gollnow/dpa
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65.000 Mitarbeiter fehlen bundesweit in den Hotels und Gaststätten. Ostfriesische Betriebe suchen nach Lösungen für das Dilemma.

Berlin/Ostfriesland - In den Hotels und Gaststätten in Deutschland fehlen nach Ansicht das Branchenverbands Dehoga derzeit mehr als 65.000 Mitarbeiter. „Der Mitarbeitermangel gehört laut den monatlichen Dehoga-Umfragen regelmäßig zu den größten Herausforderungen für die Betriebe“, teilte der Verband der Deutschen Presse-Agentur mit. Das gilt auch für das Gastgewerbe in Ostfriesland. „Die Lage ist ziemlich dramatisch – vor allem auf den Inseln“, sagt Birgit Kolb-Binder, Dehoga-Bezirksvorsitzende für Ostfriesland und Vizepräsidentin im Landesverband Niedersachsen.

„Die Bundesagentur für Arbeit meldet für Juni 33.160 offene Stellen im Gastgewerbe. Wir gehen allerdings davon aus, dass der tatsächliche Bedarf mindestens doppelt so hoch ist, da viele Betriebe ihre freien Arbeitsplätze nicht mehr bei den Arbeitsagenturen beziehungsweise Jobcentern melden“, sagt die Dehoga-Arbeitsmarktexpertin Sandra Warden.

„Noch sehen wir aber kein Licht am Ende des Tunnels“

Die Schätzung untermauerte sie mit einem Blick auf die Zahlen von Juni 2019: Damals waren fast 40.000 freie Stellen gemeldet. „Und wie wir wissen, hat sich das Problem seitdem – in Folge der Corona-Pandemie – immens verschärft“, sagt Warden. „Gerade jetzt in der Urlaubssaison und der damit verbundenen erhöhten Nachfrage in den touristischen Destinationen steigt der Bedarf weiter.“

Kolb-Binder fordert deshalb: „Die Zuwanderung für Fachkräfte muss endlich erleichtert werden. Seit Jahrzehnten müssen vor allem die Betriebe auf den Inseln auch auf außereuropäische Mitarbeiter zurückgreifen und vermehrt Arbeitskräfte aus Vietnam und Indien einstellen.“ Deshalb setze sie auf die Initiative von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der bereits in Indien um Fachkräfte warb. „Noch sehen wir aber kein Licht am Ende des Tunnels“, sagt Kolb-Binder, die unter anderem ein Hotel auf Langeoog betreibt. Es fehlten jede Menge Mitarbeiter.

Betriebe reduzieren ihre Öffnungszeiten

Die Gastronomie-Betriebe reagieren inzwischen vielfältig auf die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt. „Es gibt Betriebe, die sich daher gezwungen sehen, ihre Öffnungszeiten zu verkürzen, Ruhetage einzuführen oder das Angebot der Speisekarte zu konzentrieren“, sagt Warden. In einigen Gaststätten war zuletzt auch zu beobachten, dass mehr auf Selbstbedienung gesetzt wird statt auf einen kompletten Service am Tisch.

„In Ostfriesland machen inzwischen fast alle Gastronomiebetriebe mindestens einen Ruhetag, viele machen auch schon zwei oder sogar drei“, sagt Kolb-Binder. Eine Beobachtung, die auch ihr Co-Vorsitzender im Bezirk Ostfriesland, Erich Wagner, gemacht hat. „Viele Betriebe konzentrieren sich verstärkt auf das Geschäft am Wochenende“, sagt der Inhaber vom „Hotel zur Post“ in Wiesmoor.

Dehoga fordert mehr Wertschätzung für praktische Berufe

Zudem seien aber auch einige Hotel- und Gaststättenbetreiber dabei, in der Organisation neue Wege zu gehen. So sei man etwa bei den Arbeitszeiten flexibler geworden, um neue Fachkräfte zu gewinnen. „Die Mitarbeiter können ihre Dienstpläne selber schreiben und sich so untereinander besser abstimmen“, sagt Wagner. Auch das trage zu mehr Zufriedenheit bei. Der Hotel- und Gastgewerbe-Verband fordert zudem eine Offensive für die duale Ausbildung und mehr Wertschätzung für praktische Berufe.

Wagner hofft außerdem, dass der Gastronomie die Mehrwertsteuer-Senkung von sieben Prozent auf Speisen doch noch erhalten bleibt – eigentlich gilt im kommenden Jahr wieder der alte Satz von 19 Prozent. Das würde die Preise erhöhen und sinkende Margen für die Betriebe bedeuten. „Das würden einige Betriebe nicht überstehen, die Rücklagen sind weg und wir haben uns in der Gastronomie finanziell von Corona noch nicht wieder erholt“, sagt Wagner. Der Hotel- und Gastgewerbeverband hat bereits vor bundesweit 12.000 Betriebsschließungen gewarnt, sollte der Staat wieder die Steuer erhöhen.

Mit Material von dpa

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