Forderungen zur Lösung der Klinik-Probleme Leeraner „Borro“-Direktorin warnt vor „Krankenhaussterben“

Andreas Ellinger
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Von Andreas Ellinger
| 18.06.2023 17:12 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Auf Intensivstationen muss es oft schnell zugehen. Die Probleme ostfriesischer Krankenhäuser, die zur Abmeldung von Intensivstationen für die Notfallversorgung führen, waren bisher jedoch nicht auf die Schnelle zu lösen. Foto: Molter/dpa
Auf Intensivstationen muss es oft schnell zugehen. Die Probleme ostfriesischer Krankenhäuser, die zur Abmeldung von Intensivstationen für die Notfallversorgung führen, waren bisher jedoch nicht auf die Schnelle zu lösen. Foto: Molter/dpa
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Intensivstationen, die für die Notfallversorgung abgemeldet sind, und Fachkräftemangel – wie lassen sich die Probleme ostfriesischer Krankenhäuser lösen? Das haben wir die Klinik-Führungen gefragt.

Ostfriesland - Dass ostfriesische Krankenhäuser ihre Intensivstationen aufgrund von Kapazitätsengpässen für die Notfallversorgung abmelden, darüber berichtet unsere Redaktion seit mehr als eineinhalb Jahren. Eine Lösung der Probleme ist jedoch nicht erkennbar. Im Gegenteil: Ostfriesische Rettungsdienste sehen im niedersächsischen Ivena-Portal seit Wochen rekordverdächtig viel Rot.

Rot sind medizinische Fachbereiche markiert, in denen Krankenhäuser keine weiteren Patienten aufnehmen können, weil sie personell, platzmäßig oder technisch keine Kapazität mehr haben. Das kann beispielsweise bedeuten, dass ein Krankenhaus beim Pflegepersonal unter die Untergrenze gerutscht ist, die zur Versorgung der Patienten vorgeschrieben ist.

Umfrage unter den ostfriesischen Klinik-Unternehmen

Unsere Zeitung hat daher das Klinikum Leer, den Klinikverbund Aurich-Emden-Norden, das Krankenhaus Wittmund und das Leeraner Borromäus-Hospital gefragt: „Was müsste sich an der Krankenhaus-Finanzierung, bei der Ausbildung von pflegerischem und ärztlichem Nachwuchs oder in anderer Hinsicht ändern, damit die Kapazitäts-Engpässe Ihrer Unternehmen beseitigt werden könnten beziehungsweise beseitigt wären?“

Vom Borromäus-Hospital kam eine Stellungnahme der Kaufmännischen Direktorin Sarah Sebeke. Sie stellte ihrer Antwort folgende Bemerkung voran: „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die aktuelle Finanzierung von Krankenhäusern schon seit Jahren nicht ausreichend ist und mit Blick auf die aktuelle Inflation als desolat zu bezeichnen ist. Auch wenn die Krankenhäuser wirtschaftlich arbeiten, erlaubt das aktuell starre Finanzierungssystem keine Weitergabe der inflationsbedingten Kostensteigerungen und die Anpassung des Basisfallwertes entspricht nicht der allgemeinen Inflationsrate, sodass es Krankenhäusern gar nicht möglich ist, kostendeckend zu arbeiten.“

„Borro“-Direktorin wirft Krankenkassen Gesetzesverstoß vor

Der Basisfallwert ist wesentlicher Bestandteil des Fallpauschalen-Systems, nach dem Klinik-Leistungen abgerechnet werden. Das heißt, dass Behandlungen nicht entsprechend des tatsächlichen Aufwandes honoriert werden, sondern nach festgelegten Pauschalen. „Krankenhäuser benötigen dringend einen kurzfristigen Inflationsausgleich, um die inflationsbedingten gestiegenen Kosten zu decken, sonst droht ein kalter Strukturwandel und damit verbunden ein unkontrolliertes Krankenhaussterben“, erklärt Sarah Sebeke.

In ihrer eigentlichen Antwort teilt sie mit: „Hinsichtlich des examinierten Pflegepersonals am Bett gibt es keine Einschränkungen bei der Einstellung. Hier hat der Gesetzgeber mit dem Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz eine Refinanzierung der Personalkosten zugesagt. Allerdings halten sich die Kostenträger nicht an das Gesetz und vergüten nicht in Gänze die Ist-Kosten, was zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Liquidität der Krankenhäuser führt.“ Die Kostenträger sind die Gesetzlichen Krankenversicherungen.

Auf welchen Kosten bleiben Krankenhäuser sitzen?

„Beim ärztlichen Dienst, Verwaltung, et cetera ist es erforderlich, dass die Tariferhöhungen und Sonderzahlungen, wie die Inflationsausgleichsprämie, ebenfalls in die Steigerungsrate des Landesbasisfallwerts einbezogen werden“, fährt Sebeke fort. „Es kann nicht sein, dass Tarifsteigerungen nicht refinanziert werden. Damit haben die Krankenhäuser seit Jahren zu kämpfen.“

Zudem müsse das Land seiner Verpflichtung nachkommen, die Investitionskosten der Häuser zu tragen. „Wir haben ein duales Finanzierungssystem, dem das Land nicht in Gänze nachkommt“, kritisiert die Hospital-Direktorin. „Der Investitionsstau liegt nach der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft bei rund 2,2 Milliarden Euro.“ Eine weitere Forderung: „Die bürokratischen Hürden zur Anerkennung von ausländischen Fachkräften müssen schneller abgebaut werden, Studienplätze müssen erhöht werden.“

Welche Forderungen erheben die anderen ostfriesischen Kliniken?

Sarah Sebeke äußert dringenden Handlungsbedarf: „Ein Abwarten auf die neue, auf Bundesebene geplante Reform ist keine Option, da bis dahin viele Häuser insolvent sein werden. Es muss eine kurzfristige Lösung erfolgen, sonst wird die Patientenversorgung massiv bedroht sein.“

Das Klinikum Leer, die Trägergesellschaft der Kliniken Aurich, Emden und Norden sowie das Krankenhaus Wittmund haben zu dieser Frage keine Angaben gemacht. Aus fünf von sechs ostfriesischen Kliniken hat das Management also weder Änderungsvorschläge gemacht noch Forderungen erhoben.

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