Ein Fenster in die Zukunft des Klimawandels

Kristin Palitza, dpa
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Von Kristin Palitza, dpa
| 13.12.2021 08:39 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Olufemi Olubodun untersucht ein Nest von Siedlerwebern in einer Akazie, in das sich ein Paar Zwergfalken eingenistet hat. Foto: Kristin Palitza/dpa
Olufemi Olubodun untersucht ein Nest von Siedlerwebern in einer Akazie, in das sich ein Paar Zwergfalken eingenistet hat. Foto: Kristin Palitza/dpa
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Schon heute ist es in der Kalahari heißer und trockener als an vielen Orten der Erde. Wissenschaftler erforschen nun, was das für Tiere und Pflanzen bedeutet - und was die Welt daraus lernen kann.

Kuruman, Südafrika (dpa) - Tausende Zikaden geben ein ohrenbetäubendes Konzert. Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel auf den rostroten Sand. Regen gilt in diesem Teil der Erde als Segen. Überleben können nur die Widerstandsfähigsten, egal ob Pflanze oder Tier.

In flimmernder Hitze untersucht Olufemi Olubodun (30) ein Nest von Siedelwebern. Die in Kolonien brütenden Vögel haben das Nest wie drei riesige Trauben mit Grashalmen um die Äste einer Akazie geflochten. Die überdimensionale Massenbehausung besteht aus Dutzenden ineinander verflochtenen Brutkammern, die das Innere des Gemeinschaftsnests trotz hoher Außentemperaturen kühlhalten. Diese können in der Kalahari oft 40 Grad Celsius überschreiten.

Olubodun inspiziert eine Brutkammer, in der sich ein Paar Zwergfalken bei den Koloniebrütern eingenistet hat. Die kleinen Raubvögel helfen, die Nester vor hungrigen Schlangen zu schützen, sind aber auch ein Feind, der den Nachwuchs der Weber tötet. Behutsam nimmt Olubodun ein Falkenküken nach dem anderen aus dem Nest. Sie werden gemessen, gewogen, beringt. So verfolgt er, wie sich die Vögel trotz extremer Temperaturen und langer Dürreperioden entwickeln.

Oluboduns Forschung am Fachbereich Biowissenschaften an der Universität zu Kapstadt (UCT) ist Teil einer größeren Studie. Das Kalahari Bedrohtes Ökosystem Projekt (KEEP) bringt im Dedeben-Forschungszentrum im südafrikanischen Naturreservat Tswalu, wenige Kilometer südlich von Botsuana, Wissenschaftler zahlreicher Universitäten zusammen.

Für die Forscher der ideale Ort

Sie wollen vor allem eins erforschen: Wie verändert sich die Welt, wenn sich die Erde um 1,5 Grad erwärmt - ein Temperaturanstieg, der laut dem Pariser Abkommen der Vereinten Nationen nicht überschritten werden soll. Die aus Wüste und Savanne bestehende Kalahari, die sich über rund eine Million Quadratkilometer durch Namibia, Südafrika und Botsuana zieht und schon heute als Klimawandel-Hotspot gilt, ist dafür der ideale Ort.

In der Kalahari ist es heißer und trockener als an vielen Orten der Erde. Tiere und Pflanzen müssen sich steigenden Temperaturen und geringer werdenden Niederschlägen anpassen, um zu überleben, darunter zahlreiche bedrohte Arten. In den vergangenen 50 Jahren sind nach Angaben des südafrikanischen Wetterdienstes die Temperaturen in Teilen des südlichen Afrikas doppelt so schnell gestiegen wie im globalen Durchschnitt. Forscher prognostizieren, dass die Durchschnittstemperatur in der Kalahari um 2,2 Grad Celsius steigen wird, wenn weltweit ein Anstieg von 1,5 Grad Celsius zu verzeichnen ist. Das heißt: Die Kalahari gewährt Klima-Forschern ein außergewöhnliches Fenster in die Zukunft, aus dem der Rest der Welt wichtige Schlüsse ziehen kann.

KEEP untersucht nicht nur einzelne Tier- und Pflanzenarten, sondern will einen Überblick über die gesamte Nahrungskette schaffen: von Gräsern über Insekten, Vögel und Reptilien bis zu Säugetieren. Wer beeinflusst wen? Wer ist von wem abhängig und welche Folgen hat das? So wollen die Forscher Schlüsselarten identifizieren, die für die Nahrungskette unverzichtbar sind und darum besonders geschützt werden müssen, um das gesamte Ökosystem zu schützen. „Es geht uns um den Dominoeffekt, der ausgelöst wird, wenn ein Glied der Kette vom Klimawandel betroffen ist“, erklärt Tswalu Forschungsleiter Dylan Smith.

Noch steckt das 2019 gestartete Projekt in den Kinderschuhen. Wissenschaftler benötigen Datensätze über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, um sichere Aussagen machen zu können. Dennoch gäbe es bereits zielführende Indikatoren, vor allem von Forschern, die ihre Studien schon vor Beginn des KEEP-Projekts gestartet hatten, erklärt Smith: „Wir sehen definitiv erste Verhaltensmuster“.

Schwere Dürren haben ganz konkrete Folgen

Zwei schwere Dürren 2015 und 2019 seien gute Indikatoren für mögliche Auswirkungen des Klimawandels gewesen. So hatte sich in dem Zeitraum beispielsweise das Graswachstum reduziert, erklärt KEEP Projektleiterin Wendy Panaino. Als Folge habe es weniger Termiten gegeben, die Gras zum Überleben brauchen. Das wiederum wirkte sich auf die Tiere aus, die Termiten fressen, wie die auf der Roten Listen der ICUN als bedroht eingestuften Pangoline.

Panaino beobachtete während der beiden Dürreperioden einen scharfen Rückgang der Schuppentiere. Auch viele andere Tiere seien gestorben oder ausgehungert gewesen. „Die Tiere der Kalahari haben sich bereits extremen Wetterbedingungen angepasst. Jetzt wird es noch heißer und trockener. Damit stellt sich die Frage: Wann ist das Limit erreicht?“, fragt sich Panaino.

Betroffen ist auch der Afrikanische Wildhund, der in Südafrika mit geschätzten 500 Exemplaren als stark gefährdet gilt. Tierschutz-Physiologin Keafon Jumbam, Postdoktorantin an der Witwatersrand Universität in Johannesburg, beobachtet in Tswalu ein kleines Rudel mit implantierten Temperaturmessgeräten. An heißen Tagen erreiche die Körpertemperatur der Wildhunde fast 40 Grad Celsius, so Jumbam. „Die Tiere fressen weniger, da die Jagd nach Beute ihre Körpertemperatur weiter erhöhen würde“, erklärt sie. Auch das Zeitfenster, in dem es kühl genug sei, um Beute zu erlegen, verkürze sich zunehmend. Dies führe langsam aber sicher zu einem Rückgang des Tierbestands, fürchtet Jumbam.

Schritt für Schritt setzen die Forscher des KEEP Projekts die Puzzleteile zusammen, die ihnen einen Überblick über das gesamte Ökosystem der Kalahari geben sollen. Die Arbeit ist langsam und mühselig, doch Panaino ist sicher: „Unsere Ergebnisse werden für Ökosysteme überall auf der Welt relevant sein.“

© dpa-infocom, dpa:211213-99-362217/2

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