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Auszubildende Hospizbegleiterin: „Das ist keine traurige Arbeit“

Elke Wieking
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Von Elke Wieking
| 11.12.2020 18:59 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Nach einer langen Ausbildung steht Petra Geerds aus Westoverledingen in den Startlöchern als Hospizbegleiterin. Sie weiß nun, was „Pfützentrauer“ ist – und was sie ändern will.

Flachsmeer/Papenburg - „Nein, das könnte ich nicht! Und dann auch noch Kinder!“: Petra Geerds hat diese Sätze schon oft gehört, wenn sie im Freundes- und Bekanntenkreis erzählt, dass sie eine Ausbildung als ehrenamtliche Hospizbegleiterin bei dem Verein „helpful“, dem ambulanten Kinderhospiz in Papenburg, macht.

Aber nach zwei Jahren und sechs Monaten Ausbildung – die sechs Monate sind den Unterbrechungen in der Corona-Pandemie geschuldet – ist die Flachsmeererin „startklar“, wie sie sagt. Sie könnte jetzt eine Familie begleiten, die ein Kind hat, dessen Lebensspanne verkürzt ist, wie die Hospizbewegung es nennt.

120.000 engagieren sich

Diese Entwicklung, die Situation von Sterbenden und ihren Angehörigen zu verbessern, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland nach und nach entwickelt. In rund 25 bis 30 Jahren hat sich ein Netz aus Einrichtungen, aus Helfern – Medizinern, Therapeuten, Ehrenamtlichen – gebildet, schreibt der Dachverband, der Deutsche Hospiz- und Palliativ-Verband, auf seiner Homepage.

Obwohl gesetzlich geregelt, seien die Ehrenamtlichen die „tragende Säule“ eines Vereins, schreibt zum Beispiel der Verein Kinderhospiz Löwenherz in Syke bei Bremen. Sie sorgten nämlich unter anderem dafür, dass die stationäre und ambulante Kinder- und Jugendhospizarbeit finanziell sichergestellt werde. Rund 120 000 Menschen (Stand Sommer 2018) würden sich hospizlich engagieren – die meisten ehrenamtlich, teilt der Dachverband mit.

„Das will ich ändern“

Eine von ihnen ist jetzt Petra Geerds. Eine natürliche Frau, deren Stimme jung und engagiert klingt. Wer zu ihrem Haus fährt, der sieht schon vom weitem, wie Vögel über die Straße fliegen, und wer davor steht, sieht auch warum. Familie Geerds - Vater, Mutter, vier Kinder, davon drei in Pflege -, leben in einem Holzhaus, das von hohen Bäumen umstellt ist und hinter dem viel Land liegt. Im naturbelassenen Garten leuchtet buntes Herbstlaub in der Sonne. In der Küche liegt ein Hund, der nur aufmerksam aufschaut, wenn es an der Tür klingelt. Und in diese Idylle will Petra Geerds Tod und Trauer holen? „Nein“, sagt die 51-Jährige ruhig, aber deutlich. „Das ist keine traurige Arbeit. Hospizarbeit wird immer so düster und negativ dargestellt. Das will ich ändern.“

Petra Geerds will mit ihrer positiven, aber realistischen Lebenseinstellung Familien helfen, eine schwere Zeit zu meistern, die sich manchmal über Jahre hinziehen kann. Da kommen die Frau mit den halblangen braunen Haaren und die anderen Vereinsmitglieder mit ins Spiel.

Es muss keine Leidenszeit sein

Sie werden die Familien besuchen und ganz praktisch helfen: sich mit um Behördenkram und um die Geschwister kümmern, mit dem kranken Kind spielen, lachen, traurig sein. Sie wollen den Eltern Luft verschaffen und Aufgaben übernehmen, so dass die Betroffenen damit nicht allein bleiben.

Denn eine Familie stehe in der Zeit von der Diagnose bis zum Tod des Kindes und darüber hinaus während der Trauerphase unter einem ungeheuren Druck, weiß Petra Geerds. Doch diese Zeit müsse nicht nur von Düsternis und Traurigkeit beherrscht sein, meinen sie und ihre Mitstreiter von „helpful“. Auch eine verkürzte Lebenszeit sei Lebenszeit und müsse keine Leidenszeit sein.

„Sterben ist ein Teil des Lebens“

Petra Geerds hat schon vorher festgestellt, dass sie mit Krankheit, Sterben und Tod gut umgehen kann: „Ich habe damit keine Berührungsängste. Sterben ist ein Teil des Lebens.“ Humor und Lachen hätten genauso wie Angst und Wut bis zum Schluss eine Rolle gespielt. Am Ende habe sie aber immer ein „warmes, rundes Gefühl“ gehabt.

Deshalb fing Petra Geerds an, sich mit der Hospizarbeit zu beschäftigen und stieß dabei auf das ambulante Kinderhospiz „helpful“ in Papenburg. Hospizbegleiterin ist sie geworden, weil ihr Kinder und Jugendliche ganz besonders am Herzen liegen, sagt Geerds. Sie will helfen, dass die Zeit bis zum Lebensende für das kranke Kind so schön wie möglich, und dass die Familie entlastet wird. Sie will Hinweise auf Selbsthilfegruppen geben, und Kontakte herstellen, wenn Familien andere Betroffene kennenlernen wollen, um sich austauschen zu können.

„Pfützentrauer“

Sie habe viel in ihrer langen Ausbildung gelernt, sagt die Westoverledingerin. In einer Weiterbildung zum Beispiel, dass Kinder anders trauern als Erwachsene. Sie hätten Fragen, die beantwortet werden wollten. Aber die Trauer sei sprunghaft und könne von einem zum anderen Moment in Fröhlichkeit umschlagen. „Pfützentrauer nennt sich das. Wie: rein in eine Pfütze und wieder raus.“

Obwohl eine ambulante Hospizbegleitung lange dauern kann, befürchtet Geerds nicht, dass es sie auslaugen oder überfordern könnte. „Wir gehen sowieso immer zu zweit in eine Familie“, sagt sie. Sie werde also nicht allein sein. Außerdem könne sie sich im Verein Hilfe holen, und, für die 51-Jährige sehr wichtig: „Meine Familie steht hinter mir.“

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