Justiz

Gericht verbietet DIHK-Chef politische Äußerungen

Martin Alberts und den Agenturen
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Von Martin Alberts und den Agenturen
| 21.10.2020 19:41 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dessen Präsident Eric Schweitzer dürfen sich nicht zu politischen Themen äußern. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Anlass der Klage war auch ein Interview in dieser Zeitung.

Berlin - Nach einem überraschenden Urteil zum erzwungenen Austritt der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen aus dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) will sich der Dachverband – unabhängig vom Anlass – vorerst nicht mehr in der Öffentlichkeit äußern. Es werde bis auf Weiteres keine Pressekonferenzen, Live-Interviews, Pressemitteilungen, Pressegespräche und Podiumsdiskussionen geben, hieß es in einem Infoschreiben des DIHK an die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der Kammern.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte vergangene Woche nach einem jahrelangen Streit den Austritt der IHK Nord Westfalen zum 31. Dezember 2021 aus dem DIHK angeordnet. Grund waren nach Gerichtsangaben Äußerungen des Dachverbands außerhalb seines Kompetenzbereichs zu allgemeinen politischen Themen sowie einseitig zu Fragen der Umwelt- und Klimapolitik. Der Kläger habe seit 2007 zahlreiche Äußerungen des DIHK beanstandet, die über die gesetzlichen Kompetenzgrenzen hinausgegangen seien, heißt es vom Bundesverwaltungsgericht.

Unternehmer aus der Windkraftbranche reichte Klage ein

Unter anderem soll es hierbei um eine Äußerung des DIHK-Präsidenten Eric Schweitzer in einem Interview gehen, das im Oktober 2016 auch in dieser Zeitung abgedruckt wurde, wie die „Bild“ berichtet. Schweitzer hatte in dem Interview unter anderem gesagt: „Gerade für Deutschland ist das Existenzrecht Israels unantastbar.“

Geklagt und schließlich Recht bekommen hatte ein Unternehmer aus der Windenergiebranche aus Münster, der selber Mitglied der IHK Nord Westfalen ist. In den Vorinstanzen war die Klage des Mannes noch erfolglos geblieben.

Antisemitismusbeauftragter übt Kritik an Gerichtsurteil

Für den DIHK bedeutet das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, dass sich der Verband fortan nicht mehr zu politischen Themen äußern darf, wenn diese nicht mit der Wirtschaft in Zusammenhang stehen. Der Kläger könne nämlich auch dann den Austritt seiner IHK aus dem Dachverband verlangen, wenn „keine hinreichenden Vorkehrungen bestehen, um die Wiederholung von Kompetenzverstößen zuverlässig zu verhindern“, teilt das Bundesverwaltungsgericht mit.

Kritik an dem Leipziger Urteil äußerte Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung: „Grundlegende Werte unserer Gesellschaft gelten selbstverständlich auch für das Wirtschaftsleben – und zu diesen Grundwerten gehört, dass das Existenzrecht Israels unantastbar ist“, sagte er der „Bild“. „Ich begrüße das klare Bekenntnis des DIHK-Präsidenten Schweitzer dazu sehr. Gleichwohl spricht Herr Schweitzer eigentlich nur aus, was selbstverständlich sein sollte für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und insbesondere für jene, die Verantwortung tragen in Politik und Wirtschaft.“

Laut DIHK-Schreiben will sich der Dachverband nun solange gegenüber den Medien zurückhalten, bis eine schriftliche Urteilsbegründung vorliegt und ausgewertet ist. Diese folgt in der Regel mehrere Wochen nach einem Urteil. Stellungnahmen zu Gesetzgebungsverfahren, die die gewerbliche Wirtschaft betreffen, würden auch weiter abgegeben, hieß es in dem Schreiben weiter. Dies betreffe bis auf Weiteres aber keine Themen, bei denen nach Auslegung des Urteils ein „spezifischer Wirtschaftsbezug“ nicht gegeben sei – als Beispiel nannte der DIHK auch den Brexit.

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