San Francisco (dpa)

Erstes US-Glyphosat-Urteil auf dem Prüfstand

| 02.06.2020 06:11 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
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Mit der Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto hat sich der Bayer-Konzern enorme Probleme aufgehalst. Der Milliarden-Deal brachte zahlreiche brisante Klagen und einige spektakuläre Urteile mit sich. Das erste davon will Bayer nun im Berufungsverfahren aufheben lassen.

Zahlreiche US-Klagen wegen angeblicher Krebsrisiken von Unkrautvernichtern mit dem Wirkstoff Glyphosat haben Bayer in eine schwere Krise gebracht. Der Leverkusener Agrarchemie- und Pharmariese weist die Vorwürfe jedoch zurück und hat die bisherigen Urteile angefochten.

Der Rechtsstreit, mit dem das Debakel begann, geht nun in die nächste Runde: Am Dienstag (Ortszeit) stand in San Francisco die Auftaktanhörung im Berufungsverfahren an. Es ging um das aufsehenerregende erste Glyphosat-Urteil, bei dem der zum Bayer-Konzern gehörende Saatguthersteller Monsanto zu Schadenersatz in Millionenhöhe an einen Krebspatienten verdonnert worden war.

Bei der wegen der Corona-Pandemie per Telefonschalte ausgetragenen Verhandlung forderte Monsantos Anwalt David Axelrad vom Gericht, den Schuldspruch aufzuheben. Er argumentierte vor allem damit, dass das US-Bundesrecht der für das Urteil entscheidenden Rechtsprechung im Bundesstaat Kalifornien übergeordnet sei und deshalb stattdessen angewendet werden müsse. Die drei Richter des Berufungspanels zeigten sich zunächst reserviert, machten dem Unternehmen jedoch Hoffnung, dass die Schadenersatzsumme abermals deutlich gesenkt werden könnte. Bayer will indes, dass das Urteil ganz gekippt wird. Doch selbst wenn dies gelingen sollte - es gibt noch zahlreiche weitere US-Klagen.

Rückblick: Der 10. August 2018 war für das deutsche Dax-Unternehmen ein rabenschwarzer Tag. Die Geschworenenjury eines Gerichts in San Francisco urteilte, dass das kurz zuvor vom Bayer-Konzern übernommene US-Unternehmen Monsanto dem Krebs-Opfer Dewayne Johnson insgesamt 289 Millionen Dollar (260 Mio Euro) an Schadenersatz zahlen muss. Bayer stand plötzlich mit dem Rücken zur Wand, auch wenn das Gericht die Summe rasch auf 78 Millionen Dollar reduzierte. Das Urteil offenbarte schlagartig, welch hohe Risiken sich der Konzern mit der ohnehin umstrittenen Monsanto-Übernahme aufgeladen hatte.

Kläger Johnson, bei dem 2014 Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden war, hatte Monsantos Unkrautvernichter Roundup für sein tödliches Leiden verantwortlich gemacht und dem nun zu Bayer gehörenden Unternehmen vorgeworfen, die Gefahren verschwiegen zu haben. Die Jury folgte nach einem vierwöchigen Prozess weitgehend der Argumentation der Klägerseite. Für Bayer war es ein Riesenschlamassel, die Leverkusener hatten Monsanto kurz zuvor erst für rund 63 Milliarden Dollar gekauft - und damit auch die Rechtslasten übernommen. Die nahmen nun rasant zu, denn das harsche Urteil rief noch viel mehr Kläger auf den Plan.

Es folgten zwei weitere Niederlagen vor US-Gerichten, Imageprobleme, und ein heftiger Kurssturz der Bayer-Aktie - die Konzernführung um Vorstandschef Werner Baumann geriet massiv in die Kritik. Zuletzt war Bayer nach eigenen Angaben mit 52.500 zugestellten US-Klagen wegen angeblicher Krebsgefahren glyphosathaltiger Unkrautvernichter von Monsanto konfrontiert. Der Konzern ist sich keiner Schuld bewusst, die Produkte seien bei sachgemäßer Anwendung harmlos, beteuert Bayer immer wieder. Das Unternehmen stützt sich dabei auf verschiedene wissenschaftliche Studien und Regulierungsbehörden.

Nach Darstellung von Bayer kamen die erstinstanzlichen Schuldsprüche in den USA trotz mangelhafter Beweise zustande. Zudem seien in den Verfahren verschiedene Fehler gemacht worden, etwa indem bestimmte Beweismittel gar nicht zugelassen wurden. Bayer dürfte auch nicht gerade geholfen haben, dass bei den Prozessen bislang mit Laien besetzte Geschworenenjurys urteilten, die den Argumenten der Klägeranwälte womöglich offener gegenüberstanden als Berufsrichter. Im Berufungsverfahren ist dies jetzt nicht mehr der Fall.

Obwohl Bayers große Krise mit dem ersten Urteil losging, das nun neu verhandelt wird, könnte der Ausgang in der Gesamtbetrachtung am Ende leicht zur Randnotiz werden. Denn mit den Anwälten der meisten restlichen Kläger in den USA laufen längst Gespräche über einen Vergleich. Experten rechnen mit einem Kompromiss, der Bayer geschätzte rund zehn Milliarden Dollar kosten könnte. Der Konzern betont indes, eine solche Lösung nur in Betracht zu ziehen, „wenn diese wirtschaftlich sinnvoll und so strukturiert ist, dass zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu einem Abschluss gebracht werden“.

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