Berlin (dpa)

Von „My Corona“ bis „Nabucco“ - Songs zur Pandemie

Werner Herpell, dpa
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Von Werner Herpell, dpa
| 27.03.2020 10:12 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Die Corona-Pandemie ist so verheerend, dass Liedparodien und andere musikalische Reaktionen immer auch riskant sind. Während vor einigen Wochen in Videoclips noch gejuxt wurde, sind jetzt andere Töne zu hören: Ernsthaftigkeit, Empathie, Solidarität, Trauer.

Corona-Katastrophe und Musik im Internet - wie passt das zusammen? Was vor einigen Wochen, am Anfang der Krise, mit veralbernden Videoclips noch halbwegs lustig begann, hat sich längst gewandelt: Appelle, Warnungen, Trauer und Solidarität lösen Jux und Ironie ab. Die musikalische Verarbeitung der Epidemie - eine Auswahl.

ANFANGS LUSTIG: DIE HIT-PARODIE „MY CORONA“

Vor gut 40 Jahren hatte die Rockband The Knack mit „My Sharona“ einen Welthit, das Lied ist immer noch mitreißend. Das dachte sich auch der US-Arzt Zubin Damania, der den Song Ende Februar mit „My Corona“ parodierte. Als Rap-Komiker nennt er sich ZDoggMD, verortet das Virus allein im Reich der Mitte („My little Wuhan one“), springt im Video auf der Chinesischen Mauer herum, rät aber immerhin schon zum Händewaschen. Gut 1,6 Millionen Mal wurde das mittlerweile doch eher grenzwertige Machwerk innerhalb von vier Wochen auf Youtube geklickt.

ALS IRONIE NOCH PASSTE: „I CAN'T GET NO DESINFECTION“

Desinfektionsmittel waren rasch Mangelware, als die Gefahr durch das neuartige Coronavirus immer mehr Menschen auch in Deutschland dämmerte. TV-Bilder von leeren Supermarktregalen brachten Scherzbolde beim RBB-Sender Radioeins dazu, Oldies von Rolling Stones („I Can’t Get No Satisfaction“) und Beatles („With A Little Help From My Friends“) für ihr Spaß-Video ironisch umzudeuten. Das Ergebnis: eine launige Mixtur aus „I Can’t Get No Desinfection“ unf „Irgendein Spray for my Hands“ - für die Macher „das Lied zur Seuche!“.

FRÜHE WARNUNG AUS SINGAPUR: „FIGHT THE VIRUS“

Der Entertainer Alvin Oon aus Singapur warnte schon Ende Januar musikalisch vor dem neuartigen Virus. Er nahm sich den Popklassiker „Sound Of Silence“ des US-Duos Simon & Garfunkel vor und machte daraus „Fight the Virus“. Inzwischen hat diese Version auf Youtube über 700 000 Aufrufe und viel Hörerzuspruch. „Together we must overcome/To beat this virus fight as one“ - das eindrucksvolle Video und der neue Text setzen klar auf Gemeinschaftsgefühl gegen die Gefahr und betonen am Ende: „Wir werden den Kampf gewinnen.“

NICHT NUR FÜR FUSSBALLFANS: „YOU'LL NEVER WALK ALONE“

Dieser Kultsong der Anhänger des FC Liverpool und vieler anderer (derzeit darbender) Fußballfreunde wurde im März von Radiosendern in ganz Europa als Zeichen der Solidarität in Corona-Zeiten gespielt. Das schlug sich umgehend bei den Musik-Downloads nieder: Der Klassiker von Gerry & The Pacemakers aus dem Jahr 1963 kam bis auf Platz sechs der deutschen Single-Download-Charts, wo auch andere Songs mit Krisen-Bezug gelistet wurden: „Corona Weltuntergang“ von der Südtiroler Rockband Frei.Wild oder John Lennons Hymne „Imagine“.

BERLINER DAHEIM-HYMNE: „NUR NACH DRAUSSEN GEH'N WIR NICHT“

78 Jahre alt ist der Berliner Sänger und Entertainer Frank Zander - und gehört damit, wie er selbst sagt, zur Coronavirus-Risikogruppe. Doch dem geübten Charity-Mann ist abzunehmen, dass er sich auch um alle anderen sorgt. Seine Hertha-BSC-Stadionhymne „Nur nach Hause geh'n wir nicht“ nach der Melodie von Rod Stewarts Welthit „Sailing“ hat er jetzt umgedichtet: „Nur nach draußen geh'n wir nicht“. Zum Schluss sagt Spaßmacher „Frankie“ im Daheim-Video eindringlich: „Bleibt zuhause. Es ist diesmal wirklich ernst.“

NEUER LIEDTEXT AUS DEM HOMEOFFICE: „NIE STÄRKER ALS JETZT“

Deutschpop-Star Max Giesinger hat seine im Februar veröffentlichte Single „Nie besser als jetzt“ umgetextet - zu „Nie stärker als jetzt“. Dass Musiker mit solchen Corona-Aktionen aus dem Homeoffice auch auf höhere Streamingzahlen schielen, glaubt er nicht. „Da müsste ein Sänger momentan schon ein Duett mit Capital Bra oder anderen Rappern machen, wenn es ihm darauf ankommt“, sagte Giesinger der Deutschen Presse-Agentur. „Ich sehe es eher so, Gutes tun zu können und seine Plattformen zu nutzen. Das Geld wird gespendet, und der Text gibt den Leuten vielleicht ein positives Gefühl.“

SEUCHEN-SONGS FÜR ROCKFANS: VON MINUTEMEN BIS SPRINGSTEEN

Viele Radiosender und Musikmagazine lassen sich die Chance nicht entgehen, ihre eigene „Hitliste“ der Anti-Seuchen-Lieder zu basteln. Beispielsweise „Rock Antenne“ aus Ismaning bei München mit seinem Special „Die 10 besten Rock-Songs...gegen das Corona-Virus“. Die Radioexperten empfehlen - „um dem Virus in den Arsch zu treten“ - Lieder von Minutemen „(Corona“) und Iron Maiden („Virus“) über R.E.M („It's The End Of The World...“) und Bad Religion („Infected“) bis zu Bruce Springsteen („Fever“).

ANTI-CORONA-HIT MIT PUTIN-KRITIK: „SITZ ZUHAUSE“

In der russischsprachigen Internetgemeinde löst der aus „The Voice of Germany“ bekannte Sänger Brandon Stone (39) Begeisterung aus. Er hat einen Corona-Song mit Latin-Rhythmen und Rap komponiert. „Sitz zuhause. Und werd' nicht krank“ oder „Corona, scher' Dich davon“, so singt er auf Russisch. Der in Georgiens Hauptstadt Tiflis geborene Künstler, bürgerlich Bessik Schpetischwili, hat auch einen Polit-Schlenker mit Kritik an Kremlchef Wladimir Putin eingebaut. Der lässt sich gerade über eine Verfassungsänderung den Verbleib an der Macht sichern. Und Brandon Stone fragt: „Wozu das denn...?“

BERÜHRT NICHT NUR KLASSIK-FANS: ITALIENER ALS „NABUCCO“-CHOR

Tausende Tote hat das Coronavirus in Italien bereits gefordert, täglich werden es mehr. In einem in kurzer Zeit zehntausendfach geklickten Video bilden zahllose Menschen in der Isolation ihrer Wohnungen den Gefangenenchor aus Giuseppe Verdis Oper „Nabucco“, singend würdigen sie die Toten, die Kranken und die Helfer. Am Ende weht Italiens Flagge. Die Freiheitshymne „Va, pensiero“ („Flieg, Gedanke“): ein bewegendes Dokument des Durchhaltewillens - und der wohl wertvollste musikalische Beitrag zur Krisenbewältigung.

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